Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
seine Oberlippe ein klein wenig zitterte, aber er schwieg, obwohl er doch sonst nie um Worte verlegen war.
„Ja?“ sagte ich voller Erwartung.
„Marie, du bist mir eine große Hilfe, ich bin sehr zufrieden mit deiner Arbeit, das weißt du hoffentlich“, meinte er schließlich sehr förmlich, wie man einen höflichen Abschied einleitet. Ich fühlte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Was hatte ich mir nur eingebildet?
„Aber du bist jung“, fuhr er fort, „hast alle Chancen, einen ordentlichen Mann deines Standes zu finden, zum Beispiel jemanden wie den Ramoneur, der erstaunlich häufig unseren Kamin inspiziert, nicht wahr? Du kennst das Schicksal von Madame Leclerque, ohne Liebe und ohne Kinder – ein so einsames Leben willst du doch später nicht führen? Kurz, ich finde ... du solltest dich beizeiten nach einer passenden Partie umsehen.“
Eine Träne tropfte in die Kuchenschüssel, und mein Mund zuckte verräterisch. Sollte er es nur merken, nun war auch alles gleichgültig, sollte er merken, wie es um mich stand.
„Ach, Bérenger, längst halte nicht nicht mehr Ausschau nach einem, der mir gefallen könnte. Und schon gar nicht nach dem Kaminkehrer. Ich bin es zufrieden, wenn ich nur dich umsorgen und verwöhnen kann, bis an mein Lebensende.“
Bérenger stöhnte auf.
„Marinette, du verrücktes Mädchen! Sag nicht solche Dinge! Eines Tages könntest du es bereuen. Was weißt du schon vom Leben“, rief er aus, aber seine Stimme hatte alle Förmlichkeit verloren, und dann sprach er mit all seiner Beredsamkeit eine ganze Stunde lang von jenen Dingen, die nicht sein durften zwischen ihm und mir, und von der Vernunft, die den Menschen von Gott gegeben worden sei, und das nicht ohne Grund. Er redete sogar von Sünde, was gar nicht zu ihm passte, denn er galt unter den Dörflern als Liberaler. Nun plötzlich kehrte er den predigenden Priester hervor, ich jedoch hörte nur das zärtliche „Marinette“ und schloss die Augen, als er mir am Ende seiner langen Ausführungen sanft über die Oberlippe strich, deren Schwung es ihm wohl angetan hatte.
So endete unsere Unterredung, die eigentlich ein Monolog gewesen war, mit dem Versprechen, vernünftig sein zu wollen und ohne Sünde miteinander unter einem Dach zu leben.
Boudet hatte Bérenger den Rat gegeben, die Pergamente einem Sachkundigen in Paris zu unterbreiten. Für eine solche Reise benötigte er jedoch die Erlaubnis des Bischofs Billard aus Carcassonne. Nur widerwillig machte sich Bérenger auf den Weg. Der Grund für seine Abneigung lag nicht allein darin, dass er in Carcassonne erst unlängst um Geld für die Renovierung des Pfarrhauses nachgefragt hatte, sondern dass er sich in seiner Studienzeit mit seinen Professoren mehr als einmal heftig überworfen hatte. Nur seiner herausragenden Begabung wegen hatte man nach Beendigung seiner Vikarszeit in Alet Gnade vor Recht ergehen lassen und ihm eine Professur am Seminar von Narbonne angeboten. Aber auch hier zog ein erneuter Disziplinarverstoß die sofortige Versetzung nach sich. So war er nach Rennes-le-Château gekommen.
Zweifelsohne kann Bérenger sich nicht unterordnen. In dieser Hinsicht sind wir uns ähnlich. Sein eigenständiges und mitunter aufsässiges Wesen machte es ihm als jungen Heißsporn besonders schwer, sich in die strengen kirchlichen Strukturen einzufügen. Dennoch zeigte er sich loyal. Ein einziges Mal nur hat er in meinem Beisein Abbé Boudet gegenüber eine kritische Bemerkung über die oberflächliche Ausbildung im Seminar von Carcassonne gemacht.
Der Bischof befand sich jedoch auf einer längeren Visite, und so dauerte es noch fast drei Wochen, bis Bérenger bei ihm vorsprechen konnte. Nachdem sich Monseigneur Billard mehr als zwei Stunden mit den mysteriösen Pergamenten beschäftigt hatte, ohne daraus schlau geworden zu sein, erhielt Bérenger endlich den Auftrag, nach Paris zu fahren.
Da wir vereinbart hatten, dass ich zur gleichen Zeit nach Lyon reisen sollte, waren die Tage bis zur Abreise mit geschäftigem Treiben angefüllt. Unsere Unterredung hatte bei mir eine fast heitere Gelassenheit ausgelöst, wusste ich doch, dass ich für immer bei ihm bleiben durfte, wenn ich mich nur an seine Regeln hielt.
Nicht in meinen kühnsten Träumen habe ich mir ausgemalt, dass Bérenger schwach werden könnte. Es war wirklich nicht meine Schuld. Ich habe den Pfarrherrn von Rennes-le-Château weder mit einem Apfel verführt, wie dereinst Eva im Paradies, noch irgendwie mit
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