Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Geistliche holen und sagte ihnen, ihr Mann wäre über Nacht todkrank geworden. Er habe seine Sprache verloren, könne nur noch lallen, doch zuvor hätte er ihr seinen sehnlichsten Wunsch offenbart, nämlich für den Rest seines Lebens Mönch zu sein. Die Geistlichen schüttelten bedenklich ihre Köpfe, doch die Frau wusste ihnen die Sache so schmackhaft zu machen, dass sie ihm eine Tonsur schoren und eine härene Kutte anzogen. Als sich am nächsten Morgen das Gift abgebaut hatte, wunderte sich der Mann nicht schlecht ob seines veränderten Aussehens. Die Frau jedoch weinte Krokodilstränen und redete ihm ein, dass er selbst es doch gewesen sei, der in der Nacht zuvor seiner starken Schmerzen wegen diesen Wunsch geäußert habe. ´Ich habe gar deinetwegen ewige Keuschheit geschworen und muss jetzt eine Witwe bis an mein Lebensende sein, wenn du das Kloster aufsuchst`, hatte sie gestöhnt. Als er daraufhin sagte, er wolle doch lieber ihr guter Ehemann bleiben, so jammerte sie nun zum Steinerweichen: ´Wenn du mich liebst, wirst du nicht wollen, dass ich mein Gelübde breche. Schäm dich, jedermann wird dich für einen meineidigen Mönch halten, wenn du dich nicht sofort in ein Kloster begibst!`
Nun, Marie, der arme, unglückliche Mann tat, was er immer getan hatte. Er folgte. Er vermachte seiner Frau all seine Güter und ging ins Kloster, denn immer schon war er ihr hörig gewesen. Geliebt hatte er sie nie.“
Bérenger schwieg einen Augenblick. Dann fuhr er fort:
„Du siehst also, meine Teure, dass es durchaus seine Tücken haben kann, wenn man sich nicht selber die Treue hält.“
Ich wusste wirklich nicht, was ich ihm darauf antworten sollte.
„Hast du begriffen, was ich dir mit dieser Geschichte sagen will?“
Nur jetzt keinen Fehler machen, Marie, dachte ich bei mir.
„Das einzige, was ich begriffen habe“, sagte ich leise, „ist, dass du mich anscheinend loswerden willst.“
„Nein, durchaus nicht“, sagte Bérenger. „Beinahe habe ich mir gedacht, dass du mich noch immer nicht verstanden hast. Ich wollte dir mit dieser Geschichte nur sagen, dass ich dich nicht zurückhalten würde, solltest du dich für diesen oder einen anderen Mann entscheiden. Du bist völlig frei in all deinen Entschlüssen, Marie, so frei, wie ich selbst es immer gewesen bin und auch zukünftig sein werde.“
Jetzt wusste ich Bescheid, jetzt hatte ich verstanden: ... so frei, wie ich selbst es immer gewesen bin und auch zukünftig sein werde.
Das war deutlich. Seine Worte kamen mir vor wie Verrat. Ein dicker Kloß steckte mir im Hals. „Marie, du gehörst zu mir!“ hätte ich hören wollen. Statt dessen ... eine traurig-komische Geschichte.
Die Liebe eifert nicht, will nicht besitzen.
20
„Fern in der Seele breiten sich die Einsamkeiten
im toten Sonnenlicht der Eigenliebe ...“
Patrice de la Tour du Pin
Bérenger nahm sich zukünftig alle Freiheiten heraus, die man sich nur vorstellen kann. Er fuhr in der Weltgeschichte herum, wann immer und wie lange es ihm passte. Er glaubte das Paradies erschaffen zu müssen in Rennes-le-Château und gab sich mit nichts Geringerem zufrieden als mit einem wahren Prachthaus, einer Villa im Renaissancestil. Unter seiner Federführung entstand im Laufe der nächsten Jahre das, was die Leute inzwischen „das Landgut des Bérenger Saunière“ nennen. Das Glanzstück, jene Villa Béthania, ließ er von einem begabten Kunstmaler ausgestalten. Im Großen Salon, oberhalb der hölzernen Balustrade, zauberte Monsieur Olivieri eine wunderschöne Landschaft: hohe Bäume, Gräser, Blüten und Tiere in aufeinander abgestimmten zarten Farbtönen. Alle Gästezimmer wurden mit teuren Tapeten und gläsernen, feinziselierten Lampenschirmen ausgestattet, mit vergoldeten Spiegeln und frommen Bildern.
Bérenger hatte gestrahlt, als die Pläne des Innenarchitekten auf dem Tisch lagen.
„Sie werden staunen, meine Freunde aus Paris, wenn das Haus endlich fertig ist und sie mich alle besuchen kommen!“
Bei der Erwähnung seiner Freunde kam mir natürlich auf der Stelle Emma Calvé in den Sinn, auf die ich noch immer ein wenig eifersüchtig war, wenngleich mich die Möglichkeit, dass sie die Muse dieses „Papus“ sein könnte, beruhigte. Ich hoffte, der Magier verstand etwas von seiner Kunst und verzauberte sie. (Als Frosch könnte ich sie mir sehr gut vorstellen!).
Bérenger hatte sie nie mehr erwähnt, doch als ich einmal in seiner Abwesenheit in seinen Sachen kramte – ich dachte, ich
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