Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
er der fast mannshohen Gestalt ansichtig wurde. Andere tauchten die Hand so zaghaft in das Weihwasserbecken auf des Teufels Schulter, als hätten sie Angst, sich darin die Finger zu verbrennen.
„Wenn der ganze Sinn und Zweck dieses schrecklichen Wesens ist, zu eurem Amüsement die Leute zu erschrecken, dann finde ich euer Verhalten ebenso abscheulich wie den Teufel selbst“, hatte ich Bérenger am folgenden Abend an den Kopf geworfen, als wir wieder allein waren und ich sein neues, über und über mit Rosen besticktes Messgewand aufbügelte. Er aber hatte nur gelacht und gemeint, dass ich wie alle anderen Frauen in Rennes eine kleine abergläubische Person sei, die mit Ginsterbüscheln in den Fenstern das Böse zu bannen suche, statt sich ihm zu stellen, und nichts, aber auch gar nichts verstanden habe.
„Im Grunde willst du ja überhaupt nicht, dass ich etwas verstehe!“ hatte ich erwidert und war beleidigt zu Bett gegangen. Wieder hatte ich lange nicht einschlafen können, nicht nur, weil ich mich über Bérengers Beleidigung geärgert hatte – die Erinnerung daran macht mich noch heute wütend –, sondern auch, weil mir Verschiedenes, was sich an diesem Einweihungstag ereignet hatte, durch den Kopf geisterte.
Unsere Schäfchen hatten sich mit Leichenbittermiene in die wenigen freien Plätze gezwängt und den Kopf geschüttelt über all die Fremden hier in ihrer Kirche. Bald aber hatten sie Bekanntschaft geschlossen mit denen aus dem Tal und heftig miteinander zu flüstern angefangen. Das Tuscheln hörte erst auf, als der Bischof, Monseigneur Arsène Billard aus Carcassonne, eintraf, den im übrigen Asmodi nicht weiter zu beeindrucken schien, denn als er nach der dreimaligen Umrundung der Kirche mit seinem Stab lautstark die Türe aufstieß, dabei Attollite portas rief und danach die Segnung des Weihwassers vornahm, sah er gewissermaßen durch den Teufel hindurch, und selbst als er rief: „Sehet das Zeichen des Kreuzes. Es sollen fliehen alle bösen Geister“, fesselte er nicht etwa mit bezwingendem Blick die Augen des Dämons, so dass sich dieser nicht bemüßigt fühlte, einer solch unbestimmten Aufforderung nachzukommen und die Kirche stante pede zu verlassen, wie es wohl der eine oder andere erwartet hätte.
Nein, der Bischof schritt ruhig an Asmodi vorüber, kniete in der Mitte der Kirche nieder und stimmte den an dieser Stelle vorgeschriebenen Hymnus an. „ Veni creator Spiritus“ , klang es nun laut aus allen Kehlen. Dem Gesang folgte die Litanei von allen Heiligen und der Lobgesang des Zacharias. Währenddessen schrieb der Bischof – es ist allgemein so üblich, hat mir Bérenger später erklärt – das griechische Alphabet und danach das lateinische auf den mit Asche bestreuten Kirchenboden, was ihm bei den im Schachbrettmuster angeordneten 64 (!) Fliesen, beträchtliche Mühe machte, denn auf den schwarzen Platten waren die Buchstaben kaum zu erkennen.
Der neue Fußboden machte natürlich zukünftige Abstiege von der Kirche in das Bergesinnere unmöglich, was Bérenger aber sowieso für zu gefährlich hielt. Die Ritterplatte hatten wir rechtzeitig vor den Handwerkern in Sicherheit gebracht und alles so hergerichtet, dass man von der Treppe, die in die Gruft führt, nichts merkte. Bérenger hatte sich jedoch etwas Besonderes ausgedacht, damit der Ort des Abstiegs nicht für alle Zeiten verlorenginge: Als leidenschaftlicher Schachspieler wusste er, dass bei einer großen Rochade der König auf einem Ritterfeld zu stehen kommt!
Inzwischen mischte Monseigneur Billard unter den vorgeschriebenen Gebeten Salz, Wasser und Wein, weihte damit den Altar und besprengte auch die Wände der Kirche. Bérenger und Boudet assistierten ihm mit den Weihrauchfässern. Nach weiteren feierlichen Gesängen und Psalmversen zelebrierte der Bischof endlich das feierliche Hochamt.
In der Predigt sprach er vom Tempel Salomons und davon, dass dieser nur ein Schatten und ein Vorbild unserer heutigen Kirchen gewesen sei, aber dennoch von den Juden und Heiden hoch geehrt.
Bei seinen Worten wurde mir ganz heiß, denn ich dachte daran, dass einige hundert Meter unter uns Salomons Schatz lag. War unsere Kirche damit zu einem zweiten Jerusalem geworden? Stand Asmodi aus diesem Grunde am Eingang, weil er ganz einfach dazugehörte?
Was mich ein wenig beruhigte, war die Tatsache, dass wir die wirklich heiligen Gefäße und Gegenstände aus diesem Schatz zu keiner Zeit angerührt hatten: sie liegen, bis auf den Gral, den
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