Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Bérenger eingeschlossen hat, der aber ganz sicher nicht Salomon gehörte, noch heute dort unten. Wir haben uns nur am Schmuck, bei den Perlen und den Goldbarren bedient. Dass Salomon immens reich war, weiß jedes Kind, dass aber zweiundzwanzigtausend Ochsen und hundertzwanzigtausend Widder bei der Einweihung seines Tempels von den Priestern geschlachtet, säuberlich gereinigt und stückweise auf die Altäre gelegt wurden – wie Billard der Gemeinde erzählte –, das warf ein ganz neues Licht auf diesen König, dem Bérenger und ich so vieles zu verdanken hatten - und auf die Bedeutung unseres Fundes. Mit meinem Wissen um Salomons Schatz fühlte ich mich plötzlich so wichtig wie niemals zuvor in meinem Leben, aber ich bekam auch Angst, weil mir bewusst wurde, dass es sich hier nicht um irgendeine Kinderei handelte, die wir in Rennes inszenierten, sondern um eine Sache von enormer Tragweite, um eine im Grunde gefährliche Angelegenheit, wie man noch sehen wird.
Völlig sicher war ich mir am Ende dieses Festtages, dass Billard entweder in dieses Geheimnis eingeweiht oder von Bérenger bestochen war. Mit Erschrecken hatte ich nämlich am Ende seiner Predigt erkannt, weshalb der Bischof keine Miene verzogen hatte im Angesicht des Teufels aus der Manufaktur Giscard & Söhne. Mit näselnder Stimme und schmeichlerischem Tonfall hatte er sich an Bérenger persönlich gewandt und vieldeutig gesagt: „Ich weiß Ihre Dankbarkeit wohl zu schätzen, Monsieur le Curé!“
Hatte Bérenger sich sein Stillschweigen erkauft, so wie Torkain von ihm bestochen worden war? Mehr als einmal habe ich Boudet – wen sonst – sagen hören: „Bruder, setz dein Geld an der richtigen Stelle ein, man kann nie wissen. Die Gerüchte brodeln nicht nur hier oben in Rennes-le-Château.“
Bérengers Verhalten will ich nicht entschuldigen oder kleinreden, eines aber steht für mich nach allem, was ich herausgefunden habe, fest: Boudet war tatsächlich der Drahtzieher. In Bérengers Aufzeichnungen habe ich irgendwann folgendes über ihn gelesen:
„1. B. hat das Geheimnis von einem seiner Vorgänger, dem alten Jean Viè (der mit dem Hornzwicker!) erfahren, als dieser auf dem Totenbett lag.
2. Abbé Vié wiederum hatte als junger Priester davon in Sabadelle (Spanien) gehört, als sich ihm ein gewisser Abbé Cauneille anvertraute.
3. Abbé Cauneille hatte sich mit Bigou dort im Exil befunden, und hier schließt sich der Kreis.“
Ja, B. – also Boudet - war es, der Bérenger noch Monate nach der Einweihung der Kirche zu weiteren Seltsamkeiten verführte, wie den vier Engeln, die in vier verschiedene Richtungen zeigen und das Kreuzzeichen darstellen. Sie stehen auf einem Sockel, den zwei Greifen bewachen (Wächter des Schatzes). Einer der Engel starrt mit wütendem Gesicht auf den Boden, ein anderer kniet und weist mit dem Zeigefinger der linken Hand auf eine Inschrift: Par ce signe tu LE vaincras, ein bekannter Spruch, natürlich ohne das „LE“, das man nur zu dem Zweck eingefügt hat, um 22 Buchstaben zu erhalten - wie die Zahl der Buchstaben im hebräischen Alphabet; 22 Buchstaben wie das letzte Geheimnis im ägyptischen Tarot; 22 Stufen führen heute auf die Terrasse des Magdala-Turmes; 22 Zähne zieren den abscheulichen Totenkopf, der über dem Tor des Friedhofs grinsend auf denjenigen schaut, der einen verstorbenen Angehörigen besuchen möchte.
Zweiundzwanzig. Auch noch Jahre später sollte diese Zahl eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Wieder und wieder habe ich nachgefragt, und ich habe mich bemüht, meine Fragen so zu formulieren, dass man meine Vorkenntnisse nicht bemerkte. Doch die Antworten, die ich erhielt, waren nicht weniger kryptisch als das, was ich gelesen hatte: Vom Prinzip phonetischer Bilderrätsel wurde da gesprochen und von Freimaurern. Man wies mich wiederholt auf die zwei Prinzipien der Katharer hin, sprach von den Templern, die die Ketzer einst beschützt hätten. Und natürlich von Boudets Buch, in dem alles zu finden sei.
„Gib acht, Marinette, ich will es dir erklären, damit du endlich Ruhe gibst. Die beiden Buchstaben LE, die dich so verwirren, stehen am 13. und 14. Platz des Satzes. 1314 starb der letzte Großmeister der Tempelritter, Jacques de Molay, und zwar auf dem Scheiterhaufen, nachdem man zuvor Jagd gemacht hatte auf die Templer und ihren Schatz. Molay könnte ein Eingeweihter gewesen sein.“
Es gab andere Abende, weitere hartnäckige Fragen und ähnliche Erklärungen.
Ausweichende,
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