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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hundertdreißig nach Nordwesten fahre, immer brav am Tempolimit? Der Lakai derselben Männer, die damals meinen Vater korrumpiert haben und die nun mich erpressen, damit ich einen hochangesehenen muslimischen Gelehrten, der zu fünf Prozent schlecht ist, zur Rettung des Jungen beschwatze, den sie im Zweifelsfall liebt.
    »Sie tragen lediglich den Wünschen eines Ihrer vielen reichen Kunden Rechnung«, hatte ihm Lantern gestern abend eingebleut, bei der emotionsgeladenen Einsatzbesprechung in seiner gräßlichen konspirativen Wohnung, die nach dem Chlor des Gemeinschaftspools im Innenhof sechs Stockwerke tiefer stank. »Allerdings von der dunkleren Seite Ihrer Bank aus, weshalb Sie in besonderem Maße auf Diskretion bedacht sind. Sie haben den Investmentmanager seiner Wahl aufzusuchen, welcher Couleur, kann Ihnen egal sein, und für Sie wird eine fette Provision herausspringen, ganz gleich, wie er den Kuchen aufteilt«, erklärte er im selbstbewußten Ton eines zwergwüchsigen Vertrauensschülers aus Brues verhaßtem Internat. »Also nichts, was für einen Banker nicht an der Tagesordnung wäre.«
    »Nach Ihren Maßstäben vielleicht. Nicht nach meinen.«
    »Und ebenso zur Tagesordnung gehört es« – Lantern überging den patzigen Einwurf großmütig –, »daß Sie auf Wunsch Ihres Kunden – den Ihnen sein Rechtsbeistand übermittelt hat – vorfühlen, ob der Gentleman, den Sie morgen besuchen fahren, den Anforderungen entspricht oder nicht. Ist das eine akzeptable Zusammenfassung?«
    »Sagen wir: eine Zusammenfassung«, sagte Brue und schenkte sich eigenmächtig einen kräftigen Schluck Scotch ein.
    »Sie werden mit Scharfblick und mit Objektivität urteilen. Ihr überragender Sachverstand wird Ihnen sagen, was das Beste für beide Parteien ist: für Ihren Kunden und für Ihre Bank. Die Interessen des ehrwürdigen muslimischen Gentleman, mit dem Sie verhandeln, zählen dabei erst in zweiter Linie, wenn überhaupt.«
    »Aber mein überragender Sachverstand wird mir sagen, daß er der ideale ehrwürdige muslimische Gentleman für unsere Zwecke ist«, griff Brue Lanterns Ton auf.
    »Tja, Sie schwimmen nicht gerade in Alternativen, oder, Tommy?« erwiderte der mit seinem entwaffnendsten Lächeln.
    * * *
    Zwölf Stunden zuvor hatte ihm Mitzi ebenfalls eine Eröffnung zu machen gehabt.
    »Der Bernhard nervt«, hatte sie beiläufig bemerkt, als Brue in seine Financial Times vertieft war. »Die Hildegard verläßt ihn.«
    Brue trank einen Schluck Kaffee und tupfte sich mit der Serviette die Lippen. In dem Spiel, das sie spielten, war es das oberste Gebot, niemals Überraschung zu zeigen.
    »Dann müßte doch eigentlich Hildegard diejenige sein, die nervt«, meinte er.
    »Die nervt grundsätzlich.«
    »Und was hat der arme Bernhard verbrochen, daß er plötzlich auch nervt?« fragte Brue, ganz männliche Solidarität.
    »Mir einen Heiratsantrag gemacht. Ich soll mich von dir scheiden lassen und mit ihm für den Sommer nach Sylt ziehen, wo wir dann entscheiden werden, wo wir den Rest unseres Lebens verbringen«, erklärte sie verdrossen. »Kannst du dir vorstellen, Bernhards Lebensabend mit ihm zu teilen?«
    »Ehrlich gesagt kann ich mir schwer vorstellen, irgend etwas mit Bernhard zu teilen.«
    »Und die Hildegard will dich verklagen.«
    »Mich?«
    »Oder mich, wo ist da der Unterschied? Dafür, daß ich ihr den Mann ausgespannt hab. Sie denkt, du wärst reich. Also mußt du den Bernhard verklagen, das stopft ihr das Maul. Ich frag deinen Spezi Westerheim, welcher Anwalt der beste ist.«
    »Hat Hildegard das öffentliche Aufsehen bedacht?«
    »Sie lechzt nach Aufsehen. Sie ist ganz wild darauf. Vulgär ist gar kein Ausdruck.«
    »Und hast du Bernhards Antrag angenommen?«
    »Ich überleg noch.«
    »Ah. Und wie weit bist du in deinen Überlegungen gediehen?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns noch zu allzuviel nütze sind, Tommy.«
    »Du und Bernhard?«
    »Du und ich.«
    * * *
    Der Himmel hing schwarz über der flachen, unwirtlichen Landschaft. Die Fahrbahn spiegelte wie Glas. Die Scheinwerfer entgegenkommender Autos sprangen ihn an. Dann sind wir uns also zu nichts mehr nütze. Auch gut. Ich komme schon allein zurecht. Ich verkaufe die Bank, solange noch was zu verkaufen da ist, und lebe zur Abwechslung mal. Schaue auf einen Sprung in Kalifornien vorbei, zu Georgies Hochzeit. Er hatte Mitzi noch nichts davon gesagt, daß er Großvater wurde, eine kleine Genugtuung. Vielleicht würde er es ihr niemals sagen.
    Ob

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