Marissa Blumenthal 02 - Trauma
Expansionspläne braucht die Klinik sehr viel Kapital.«
»Demnach«, sagte Marissa, »wären die Chinesen, die aus der Volksrepublik kommen, entweder Geldoder Rauschgiftkuriere oder beides.«
»Das nehme ich an«, sagte Tristan.
»Aber da komme ich wieder auf die Tuberkulose zurück«, sagte Marissa. »Wie paßt die ins Bild?«
Tristan zuckte die Achseln. »Wie gesagt, ich habe nicht auf alles eine Antwort. Ich halte es für einen unbeabsichtigten Nebeneffekt. Ich habe aber keine Ahnung, auf welchem Wege die Frauen sich angesteckt haben. Tbc wird normalerweise durch die Atemluft übertragen. Wie sie in die Eileiter gelangen konnte, geht über meine Vorstellungskraft.«
»So stellt man in der Medizin aber keine Diagnose«, sagte Marissa.
»Sämtliche Symptome und Anzeichen müssen direkt zur Hauptdiagnose führen. Fast immer steckt eine Krankheit dahinter. Ich glaube, daß wir die Tbc als Mittelpunkt des Problems ansehen müssen.«
»Das ist Ihre Ansicht«, sagte Tristan. »Ich habe keine Erklärung für diese Entwicklung anzubieten.«
»Dann kommen Sie doch mit!« sagte Marissa bittend. »Sie haben bestimmt ebenso viel Grund, die Wahrheit herauszufinden, wie ich.«
»Nein«, sagte Tristan. »Darauf lasse ich mich nicht mehr ein. Nicht noch einmal. In letzter Zeit habe ich mir überlegt, daß inzwischen genügend Zeit vergangen ist. Ich konnte eine Menge Geld zurücklegen. Es genügt, um meinen Sohn wieder zu holen und mich dann irgendwo ganz weit weg niederzulassen, vielleicht sogar in den Staaten.«
»Okay«, sagte Marissa. »Ich kann Sie verstehen.« Doch ihr Tonfall machte deutlich, daß sie ihn nicht verstand. »Nochmals vielen Dank dafür, daß Sie sich mit mir unterhalten haben.« Die beiden erhoben sich. Marissa reichte ihm die Hand, und Tristan schüttelte sie.
»Viel Glück!« sagte Tristan.
Als Marissa in die grelle Sonne hinaustrat, mußte sie blinzeln. Sie begab sich zu ihrem Wagen und schaute in den Staub. Der Gedanke an die Fahrt nach Windorah und an die sich morgen anschließende Odyssee nach Charleville war alles andere als angenehm.
So vorsichtig wie möglich stieg sie ein, um keinen Staub aufzuwirbeln. Sie ließ den Motor an und fuhr aus der Wilmington-Station. Unterwegs winkte sie einigen Stockmen zu, die an einem Stück des Zauns arbeiteten. Dann bog sie nach links ab und machte sich auf den Weg nach Windorah.
Auf der Fahrt durch die furchteinflößende Landschaft ließ sie sich alles durch den Kopf gehen, was Tristan ihr erzählt hatte. Über die tuberkulöse Eileiterinfektion hatte sie zwar nichts Neues erfahren, dafür vieles andere, was sie nicht erwartet hatte, und alles war sehr verstörend. Am meisten vielleicht die Andeutung, daß es beim Tod von Tristans Frau nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Falls Tristan damit recht hatte, konnte sich Marissa nur in ihrer Idee bestärkt fühlen, daß die beiden Männer mit den Fischködern die Haie absichtlich angelockt hatten. Und wenn das der Fall war, war auch ihr Leben in Gefahr.
Marissa fuhr halb im Unterbewußtsein. Ihre Gedanken drehten sich um die Frage, wie sie sich schützen könne. Leider kam sie auf keine besonders glänzende Idee. Wenn Unbekannte sie umbringen wollten, wie sollte sie sie dann überhaupt erkennen? Es war schwer, sich gegen Unerwartetes zu wappnen. Die Gefahr konnte jeden Augenblick eintreten.
Als sollten ihre Befürchtungen sich bewahrheiten, spürte Marissa in diesem Augenblick ein seltsames Vibrieren. Zuerst dachte sie, jemand hätte etwas an ihrem Wagen angestellt. Sie blickte auf die Skalen und Zeiger am Armaturenbrett. Alles normal. Doch aus dem Vibrieren wurde rasch ein ohrenbetäubender Krach.
In Panik umklammerte Marissa das Lenkrad. Sie mußte jetzt schnell handeln. Verzweifelt trat sie auf die Bremse und schlug das Lenkrad scharf links ein. Der Wagen schlitterte zur Seite. Einen Augenblick hatte Marissa das Gefühl, er würde sich überschlagen.
In dem Moment, da er ruckartig zum Halten kam, donnerte ein Flugzeug über sie hinweg, knapp drei Meter über dem Wagendach. Da ahnte Marissa, daß die Leute, die Wendy umgebracht hatten, sie irgendwie aufgespürt hatten. Jetzt würden sie einen Unfall inszenieren, um sie endgültig loszuwerden.
Den Motor hatte sie abgewürgt. In hektischer Eile versuchte sie wieder zu starten. Durch die Windschutzscheibe konnte sie sehen, daß das Flugzeug eine Kurve machte, sich auf die Seite legte und dann wieder genau auf sie zukam. Aus der Entfernung sah
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