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Marissa Blumenthal 02 - Trauma

Titel: Marissa Blumenthal 02 - Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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die Stadt auch jetzt noch so lebendig wie am Tage. Das Taxi bahnte sich einen Weg durch Schwärme von Fußgängern, Autos und Bussen. Über ihnen erleuchteten anreißerische Lichtreklamen den Nachthimmel. Große Spruchbänder mit riesigen chinesischen Schriftzeichen hingen quer über der Straße.
    Der Anblick war zuviel für Marissa. Sie sah nicht mehr nach draußen. Nachdem Tristan so viel über die Triaden gesprochen hatte, wollte sie jetzt von ihm wissen, was die Triaden eigentlich waren.
    »Es sind Geheimgesellschaften«, erklärte ihr Tristan, »mit dem ganzen üblichen Brimborium von feierlichen Eiden und geheimen Ritualen. Der Ausdruck Triade ist abgeleitet von den dreiseitigen Beziehungen zwischen Himmel, Erde und Mensch. Vor Jahrhunderten wurden sie ursprünglich als revolutionäre politische Organisationen gegründet, wandten sich aber bald verbrecherischer Tätigkeit zu, weil das einträglicher war. Besonders die in Hongkong gegründeten und die, die später nach Hongkong kamen. Allein in Hongkong soll es ungefähr 50 Banden mit vielen Tausend Mitgliedern geben.«
    »Klingt ausgesprochen anheimelnd«, sagte Marissa mit einem kurzen Auflachen.
    »Die Chinesen genießen den zweifelhaften Ruf, die Erfinder des organisierten Verbrechens zu sein«, fuhr Tristan fort. »Das ist mit ein Grund, warum sie auf diesem Gebiet so erfolgreich sind. Jahrhundertelange Erfahrung. Heutzutage unterhalten die größeren Triaden Zweigstellen in Europa, den USA, in Kanada und sogar in Australien. Überall wo es eine chinesische Gemeinde gibt, befinden sich darunter mit großer Wahrscheinlichkeit auch Triadenmitglieder.«
    »Und vielleicht auch tuberkulöse Eileiterinfektion«, sagte Marissa. Tristan zuckte die Achseln »Kann sein. Aber das chinesische
    Verbrechen ist nichts Neues.«
    »Ich gebe zu«, sagte Marissa, »daß ich, bis ich Sie getroffen habe, noch nie etwas von Triaden gehört hatte.«
    »Das überrascht mich nicht«, sagte Tristan. »Den meisten Menschen geht es so. Alle reden nur von der Mafia, was den Triaden natürlich recht ist. Doch die Triaden sind schlimmer als die Mafia. Zumindest hat die Mafia noch eine Familienmoral, so verdreht sie auch sein mag. Bei den Triaden gibt es nichts dergleichen. Die Triaden kümmert nur das Geld. Profit ist das einzige Ethos, das sie kennen.«
    »Das gefällt mir alles nicht besonders«, sagte Marissa unbehaglich.
    »Ich habe Sie ja gewarnt«, sagte Tristan.
    In der Tung Tau Tsen Road hielt der Taxifahrer an.
    Tristan beugte sich zwischen den Sitzen vor, um nach vorn auszuspähen. »Wo ist denn nun die Eingemauerte Stadt?« fragte er.
    »Weiter fahre ich nicht«, sagte der Mann. Dann zeigte er durch die Windschutzscheibe nach vorn. »Sehen Sie die Tunnelöffnungen auf der anderen Straßenseite? Da geht man rein. Die Eingemauerte Stadt ist dieser Dreckhaufen hier rechts von uns. Wenn ich Ihnen einen Rat geben soll, gehen Sie nicht rein! Es ist gefährlich. Ich fahre Sie lieber in einen netten Nachtklub, richtig sexy.«
    Tristan öffnete die Wagentür, stieg aus und hielt sie für Marissa auf. »Vielen Dank für Ihren Rat, Kumpel«, sagte er.
    »Leider haben wir Geschäftliches mit den Wing Sin zu besprechen.«
    Sobald die Tür wieder zu war, wendete das Taxi. Der Fahrer gab Gas und war im Nu weg.
    »Wollen Sie wirklich rein?« fragte Marissa. Die Warnung des Taxifahrers und Tristans kurzer Bericht über die Triaden hatten ihr die Gefahren deutlich vor Augen geführt.
    »Sieht ziemlich scheußlich aus, wie?« sagte Tristan.
    Sie standen vor einem Bienenkorb von Wohnungen, zehn bis elf Stockwerke hoch. Die Gebäude standen eng beisammen und waren im Zustand des Verfalls. Einige Neubauten schienen völlig zufällig hingesetzt. An Leinen, die von einem Haus zum anderen aufgespannt waren, hingen Kleidungsstücke. Es gab keine Straßen, die in dieses Viertel führten. Nur die dunklen Tunnel, die ihnen der Taxifahrer gezeigt hatte.
    Achselzuckend sagte Tristan: »Probieren wir’s mal! Wir können ja jederzeit wieder rausgehen.«
    Widerwillig folgte Marissa ihm die Tung Tau Tsen Road entlang auf einen der Tunnel zu. Auf der einen Seite ragte der Beton-Slum in die Höhe. Im scharfen Gegensatz dazu waren auf der anderen Straßenseite im Erdgeschoß die hell erleuchteten Schaufenster einer Zahnarztpraxis zu sehen, mit Gefäßen voll konservierter Zähne, Kieferteilen und grinsenden Gebissen. Die Praxis war im Erdgeschoß eines von vielen normal aussehenden Apartmenthäusern mit

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