Marissa Blumenthal 02 - Trauma
China nicht.«
»Und Geschlechtskrankheiten?« fragte Marissa.
»In der Volksrepublik gibt es nur sehr wenige Fälle von Geschlechtskrankheiten«, sagte Tse. »Die Kommunisten haben Geschlechtskrankheiten und Opium ausgerottet und ein Gesundheitsprogramm aufgebaut, das der Vorsorge einen größeren Wert beimißt als der Heilung. Es gab ja weder das Geld noch die Einrichtungen für Heilmaßnahmen nach westlicher Art.«
»Wie sieht Ihre Praxis aus?« fragte Tristan. »Was umfaßt sie alles?«
»Ich habe eine typische Landpraxis«, sagte Tse. »Ein kleines Krankenrevier und einen geringen Vorrat an Medikamenten. Ich bin verantwortlich für Gesundheitserziehung, Immunisierung und Geburtenkontrolle von 4000 Menschen auf dem Lande. Wir behandeln leichtere Krankheiten und kleine Unfälle, und, falls notwendig, überweisen wir die Patienten ins Bezirkskrankenhaus.«
»Wenden Sie auch traditionelle chinesische Heilbehandlungen an?« fragte Marissa.
»Ja, wenn der Patient es wünscht«, sagte Tse. »Wir können auch Kräuterheilkundige und Akupunktierer heranziehen. Aber ich wurde in Guangzhou in moderner Medizin ausgebildet. Allerdings hatten wir sehr wenige moderne Geräte.«
Marissa sah Tristan hilfesuchend an. »Mir fallen keine Fragen mehr ein.«
»Mir auch nicht«, sagte Tristan. Sie saßen alle mit untergeschlagenen Beinen auf dem Deck. Er änderte seine Stellung und fragte Tse:
»Wer hat Sie angeworben?«
»Die Triade Weißer Lotus«, sagte Tse.
»In der Volksrepublik gibt es Triaden?« fragte Marissa erstaunt.
»Aber ja, jede Menge«, warf Bentley ein. »Sie sind ja schließlich auf dem chinesischen Festland entstanden.«
»Fragen Sie den Mönch«, sagte Tristan, »warum es so wichtig war, die chinesischen Kampfsportarten zu beherrschen!«
»Das kann ich beantworten«, sagte Tse. »Chiang hat die Aufgabe, mich zu schützen.«
»Warum brauchen Sie denn Schutz?« fragte Tristan.
»Das weiß ich nicht«, sagte Tse.
»Sind Sie oder Ihr Kamerad schon einmal außerhalb der Volksrepublik gewesen?« fragte Tristan.
»Noch nie«, sagte Tse.
»Und Sie haben keinerlei Gepäck?«
»Nein.«
»Haben Sie sonst etwas bei sich?«
»Nichts.«
»Haben Sie kein Rauschgift mit?«
»Nein.«
»Und Sie machen das des Geldes wegen?«
Tse nickte. »Man hat uns viele Jahreslöhne versprochen. Im voraus habe ich bereits einen Jahreslohn ausgezahlt bekommen.«
»Wie lange sollen Sie weg sein?« fragte Tristan.
»Weiß nicht genau«, sagte Tse. »Ein Jahr, höchstens vielleicht zwei Jahre.«
Tristan fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dann schüttelte er den Kopf und warf einen verzweifelten Blick auf Marissa. »Ich weiß nicht mehr, was ich ihn fragen soll. Ich bin am Ende meines Lateins.«
Urplötzlich bemerkten sie, daß sie nicht mehr allein waren. Sie schauten hoch. Der Kapitän war nach vorn gekommen. Als er sah, daß sie ihn alle anschauten, begann er zu sprechen.
Bentley übersetzte: »Der Kapitän will wissen, ob wir essen möchten. Seine Frau hat für uns alle etwas gekocht.«
»Warum nicht?« sagte Tristan und stand auf. »Dann bekommen wir doch wenigstens etwas für meine verdammten 3500 Hongkong-Dollar.«
Einige Stunden später lagen Marissa und Tristan nebeneinander auf Bambusmatten im Achterdeck. Hier waren sie wenigstens allein.
Abgesehen von einem gelegentlichen Moskito und der naßkalten Brise ging es ihnen ganz gut.
Marissa hatte nichts gegessen, sondern nur von dem mitgebrachten Wasser getrunken. Durch die Seekrankheit und das damit verbundene Erbrechen war ihr Körper ganz ausgetrocknet.
»Ich muß mich noch einmal entschuldigen, meine Liebe«, sagte Tristan. »Ich war fest davon überzeugt, daß wir die Lösung finden würden, wenn wir herkämen und mit den Kerlen sprächen. Doch jetzt stehen wir genau so dumm da wie bei unserer Ankunft in Hongkong. Es sieht so aus, als hätten wir unser Leben für nichts und wieder nichts aufs Spiel gesetzt, gar nicht zu sprechen von deiner Übelkeit.«
»Ich habe ja auch gedacht, daß wir hier die Antwort auf alles finden würden«, sagte Marissa. »Es ist merkwürdig. Irgend etwas muß uns entgangen sein, aber ich weiß nicht, was. Es scheint keine Erklärung dafür zu geben, warum das FCA sich so angestrengt bemüht, Festlandchinesen auf illegale Weise nach Australien zu bringen.«
»Ich glaube immer noch, es hat irgendwie mit Rauschgift zu tun«, sagte Tristan. »Es muß um Heroin aus dem Goldenen Dreieck gehen.«
»Aber diese Männer haben
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