Marissa Blumenthal 02 - Trauma
doch nichts bei sich«, erinnerte ihn Marissa.
»Und doch es ist das einzige, von dem ich mir vorstellen kann, daß es den hohen Kostenaufwand für den FCA lohnen würde«, sagte Tristan. »Gar nicht davon zu reden, wie weit sie zu gehen bereit sind, um ihre Tätigkeit geheimzuhalten. Es war ihnen doch so wichtig, daß sie uns in aller Öffentlichkeit erschießen lassen wollten. Es muß Rauschgift sein, meinst du nicht?«
»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich davon halten soll«, sagte Marissa. »Was du sagst, hat ja Sinn, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Und wir haben immer noch nicht herausgefunden, was die tuberkulöse Eileiterinfektion mit der Sache zu tun hat. Und wenn es um Rauschgift geht, wozu brauchen Sie dann einen Landarzt und einen buddhistischen Mönch?«
»Ich kann dir die Fragen nicht beantworten«, sagte Tristan. »Ich tappe völlig im dunkeln. Einmal bin ich sogar auf die Idee verfallen, der ganze Plan könnte etwas damit zu tun haben, daß Hongkong den Chinesen im Jahre 1997 wieder übergeben wird. Aber es gibt nichts, was diese weit hergeholte Idee unterstützt. Ich fürchte, wir sind an einem toten Punkt angelangt.«
Marissa hätte es lieber gehabt, wenn er diesen Ausdruck nicht verwendet hätte. Sie schloß die Augen. Nach all dem, was geschehen war, konnte sie kaum auf Schlaf hoffen. Aber ihre Erschöpfung war stärker als das körperliche Unbehagen und der seelische Kummer. Gleich darauf schlummerte sie ein.
Doch kaum war sie eingedöst, fing sie zu träumen an. Im Traum sah sie Robert im Treibsand versinken und konnte ihm nicht helfen. Sie hielt sich an einem Ast fest und griff nach seiner Hand. Dann brach der Ast ab, und sie fiel…
Eine Stunde nach dem Einschlafen fuhr Marissa in die Höhe. Ihr war, als versänke sie jetzt selber im Treibsand. Doch sie saß auf einer harten Bambusmatte, und neben ihr schlief Tristan. Moskitos umschwärmten ihren Kopf, und auf der Stirn hatte sie kalte Schweißtropfen.
Marissa hörte an Deck Schritte. Füße in Sandalen huschten umher. Sie schlug die Augen auf. Der Tag war noch nicht angebrochen, doch die Welt war schon heller geworden. Sie lagen in dichtem Morgennebel, der die nahegelegene Insel völlig verbarg. Vogelsang war zu hören, doch die Küste sah man nicht. Marissa setzte sich auf. Die Besatzung bereitete sich gerade vor, den Anker zu hieven. Das Segel war entfaltet und konnte jederzeit aufgezogen werden. Unten hörte sie kurz ein Baby schreien.
Sie stand auf und reckte die verkrampften Muskeln. Es wunderte sie, daß sie überhaupt hatte schlafen können, sogar noch nach dem Alptraum über Robert.
Sobald ihre Glieder wieder geschmeidig waren, ging sie an die Reling, vergewisserte sich, daß alle Leute an Deck anderweitig beschäftigt waren, überwand das bißchen Stolz, das ihr noch geblieben war,
und erleichterte sich über den Bootsrand. Als sie fertig war, hatte sie wenigstens den Trost, daß niemand sie auch nur im mindesten beachtet hatte.
Tristan schlief noch fest, und Marissa weckte ihn nicht, sondern stieg die Leiter hinab aufs Unterdeck. Auf dem Propangasherd wurde Wasser gekocht. Mit Hilfe der Kapitänsfrau bereitete sich Marissa Tee zu und trug ihn nach oben aufs Achterdeck. Tristan war inzwischen aufgewacht.
»’n Morgen, meine Liebe«, sagte er, wie üblich gutgelaunt.
Marissa gab ihm von ihrem Tee ab. Das große Segel wurde aufgezogen. Dann spürten sie, daß man die Motoren anließ.
»Unser Mann muß es mit der Rückfahrt eilig haben«, sagte Tristan.
»Er setzt Segel und Motoren ein.«
Doch dann stellte sich heraus, daß der Kapitän die Motorenkraft nur benutzte, um die Dschunke aus der Lagune zu manövrieren. Sobald sie sich vom Land entfernt hatte, wurden die Motoren wieder abgestellt und die restliche Segelleinwand festgezurrt.
In der leichten Morgenbrise segelten sie nach Süden und näherten sich wieder einem Punkt auf dem Festland. Als der Nebel sich hob, sah man, daß von der Küste her Fischerboote aufs Meer strebten. Alles war friedlich, bis sie in der Ferne das Dröhnen eines Motorboots vernahmen.
Sofort schrie der Kapitän den Matrosen Befehle zu. Rauschend kam das Segel herunter, und die Dieselmotoren setzten wieder ein. Langsam schwang die Dschunke herum.
Bentley kam zu Marissa und Tristan und erklärte ihnen, daß der Kapitän wieder Kurs auf die Küste genommen habe.
»Was ist denn los?« fragte Tristan. Er merkte, daß die Besatzung aufgeregt war.
»Wir fahren in eine dieser
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