Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Schätzungen hat es bislang zweitausendachthundert Tote gegeben, dazu kommen eintausendsiebenhundert Patienten mit entsprechenden Symptomen, die wohl binnen einer Woche sterben werden.« Er warf den Ordner wieder auf den Fernseher. »Ich denke, der letzte Beitrag auf dem Band hat deutlich gemacht, wie es unter den Konsumenten aussieht. Seit dem ersten Todesfall sind lediglich fünf Tage vergangen, und mit jedem Tag geht der Verkauf an Gelegenheitskonsumenten stärker zurück, die, wie Sie sicher wissen, den Löwenanteil des Kokains verbrauchen, das jährlich in die USA geliefert wird.«
Sein Publikum murmelte zustimmend, obwohl Perez wusste, dass viele von ihnen davon keine Ahnung gehabt hatten. Die Nachfrage nach ihrem Produkt war immer selbstverständlich gewesen – die Männer in diesem Raum befassten sich lediglich mit der Herstellung und dem Versand.
Perez begann auf und ab zu schreiten, während er weitersprach, und alle Blicke folgten ihm gebannt. »Eine genaue Vorhersage, welchen Rückgang wir bei der Nachfrage zu erwarten haben, ist zu diesem frühen Zeitpunkt unmöglich, aber ich habe mich heute Morgen stichprobenartig bei einigen unserer Partner in den Staaten erkundigt und glaube, das Problem ist noch wesentlich ernster, als wir gedacht haben. Offenbar stehen die Telefone der Straßendealer still. Einige sind sogar zu der ungewöhnlichen Maßnahme gezwungen worden, ihre Kunden anzurufen und mit den Preisen herunterzugehen. Und trotzdem hatten sie meist keinen Erfolg. Außerdem bestehen die Käufer darauf, dass die Dealer zuerst selbst etwas von der Ware probieren. Viele von ihnen sind dazu nicht bereit, sofern sie ihre Ware nicht lange vor dem Erscheinen der Anzeigen gekauft haben.«
Ein ungewöhnlich fetter Mann, der neben Colombar saß, unterbrach ihn. »Und was heißt das in Zahlen übersetzt?«
»Das ist derzeit schwer zu sagen, aber aufgrund meiner Umfrage müssen wir bei den Gelegenheitskonsumenten in den nächsten Wochen wohl mit einem Rückgang von rund fünfundsechzig Prozent rechnen, wenn diese Drohung weiter besteht. Das bedeutet einen fünfzigprozentigen Rückgang bei der Gesamtnachfrage.«
Diese verheerende Prognose setzte eine hitzige Diskussion unter den Männern in Gang, die mit heftigen Gesten geführt wurde und bei der einer den anderen überschrie, um sich Gehör zu verschaffen.
Colombar stand auf.
»Meine Herren … meine Herren!« Allmählich verstummten die aufgeregten Stimmen.
»Ich glaube, dass Alejandro fast fertig ist. Wir haben noch den ganzen Tag Zeit für Diskussionen.« Er winkte Perez und setzte sich wieder.
»Danke. Meiner Ansicht nach kann man davon ausgehen, dass wir bei den gewohnheitsmäßigen Konsumenten einen weniger signifikanten Rückgang erleben werden. Ich kann jedoch nicht abschätzen, wie groß er sein wird.«
»Vielleicht ist es ein Komplott der Regierung«, rief der Übergewichtige.
»Das glaube ich nicht. Die Regierung der USA hat nie besonders nachdrücklich etwas gegen den Drogenkonsum in ihrem Land unternommen. Nein, die USA haben sich immer darauf konzentriert, den Nachschub einzudämmen – trotz der Tatsache, dass sich diese Taktik bislang als kläglich unwirksam erwiesen hat.«
Im Raum herrschte Schweigen. Colombar schaute sich um, ob noch irgendwelche Fragen kamen, doch alle schienen tief in Gedanken versunken.
»Danke, Alejandro.«
Perez nahm die Kassette aus dem Recorder, nickte den Männern zu und ging selbstbewusst aus dem Zimmer. Trotz seiner leichten italienischen Lederschuhe wirkten in der Stille seine Schritte auf dem steinernen Fußboden sehr laut.
»Irgendwelche Bemerkungen?«, fragte Colombar, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Roberto Ortega war der Erste, der sich zu Wort meldete.
»Dein Assistent ist ein geschniegelter Bursche und kann reden wie ein Buch, Luis, bloß ist es typisch für Leute wie ihn, dass er uns das Problem dargelegt, aber keinerlei Lösungen vorschlägt«, erklärte er verächtlich. Ortega hasste die neue Generation dieser aalglatten, gebildeten Kriminellen. Obwohl seine Einstellung allgemein bekannt war, nickten etliche zustimmend.
»Alejandros Aufgabe ist es, uns Informationen zu liefern, Roberto, und nicht, für uns die Geschäfte zu leiten«, erwiderte Colombar. »Es liegt an uns, eine Lösung zu finden.«
Der fette Mann zu Colombars Linken meldete sich wieder zu Wort. Trotz der Klimaanlage schimmerte Schweiß auf seiner Oberlippe. »Und was schlägst du vor, Luis?«
Colombar spürte,
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