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Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter

Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter

Titel: Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. A. Hary
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hatte sie denn nicht ihre Tochter in aller Deutlichkeit gesehen?
    Sie dachte an die furchtbare Szene, die sich wie mit Säure in ihr Gedächtnis eingegraben hatte und nicht mehr löschen ließ.
    »John Holleway«, murmelte sie, und es klang wie ein Schwur.
    »Dir habe ich das alles zu verdanken. Du hast meine Tochter ermordet und Schande über uns gebracht. Das wirst du mir büßen – büßen, büßen, büßen!«
    Sie schrie es aus Leibeskräften und schüttelte dabei die Fäuste.
    Dann brach sie schweißüberströmt zusammen.
    Am umgestürzten Tisch zog sie sich hoch.
    »Ich muß mich zusammenreißen. Wo ist Adam?«
    Sie wußte plötzlich, daß Thompson ihren Mann eingesperrt hatte.
    »Er muß befreit werden. Allein vermag ich wenig auszurichten.«
    Wankend kam sie wieder zum Stehen.
    Sie verließ die Küche, ging durchs ganze Haus und erreichte das Schlafzimmer.
    Sinnend verharrte sie am Fußende der Betten.
    »Der Revolver – wo ist der Revolver?« überlegte sie laut. »Wo hat ihn Adam hingetan?«
    Sie durchsuchte die Kommode, fand die Schublade, in der er gelegen haben mußte. Nur noch das Reinigungszeug war vorhanden und Munition.
    »Hat ihn Adam mitgenommen?« fragte sie sich, und irgendwie wurde diese Frage bejaht. Es fiel ihr nicht auf, daß sie nicht ganz allein war, daß sie jemand leitete.
    Mit einer wütenden Gebärde kippte sie die ganze Kommode um. Alles, was darauf stand, ging in Scherben.
    Normalerweise hätte sie sich darüber aufgeregt. Jetzt kümmerte es sie gar nicht.
    Sie wandte sich dem Schrank zu.
    »Es gibt noch eine zweite Waffe«, murmelte sie vor sich hin. »Ja, da bin ich mir ganz sicher, daß es noch eine gibt.«
    Deutlich erinnerte sie sich.
    »Ist Adam nicht einmal zur Jagd gegangen? Ja, vor Jahren hat er das noch getan. Aber es ist verboten und wird unter schwere Strafe gestellt. Irgendwelche Idioten wollen den Tierbestand in den Bergen erhalten. Ja, das Gewehr – wo ist das Gewehr?«
    Wenig später hielt sie es in den Händen.
    Mechanisch lud sie, als habe sie jahrelang nichts anderes getan.
    Dann zog sie los.
    Ihr Ziel war das Haus von Sean Thompson.
    Henriette Bickford beeilte sich. Sie war weder abgespannt noch zermürbt. Eine unglaubliche Kraft beseelte sie.
    Sie war in Eile, weil sie befürchtete, zu spät zu kommen.
    Als sie ihr Ziel fast erreicht hatte, sah sie, daß ihre Befürchtung unbegründet war.
    Thompson war mit seinem Wagen noch nicht angekommen.
    Auch die Macht, die sie die ganze Zeit über kontrolliert hatte, zu sich zurück, um nur noch als ferner Beobachter zu fungieren.
    Henriette Bickford durfte nicht zu sehr beeinflußt werden. Sie mußte möglichst aus ihrem eigenen Willen handeln.
    Das war besser, denn es half den bösen Mächten Kräfte zu sparen – Kräfte für eine andere Aufgabe. Es galt, die ersten Rekruten ihrer Armee aufzustellen.
     
    *
     
    Der alte Friedhof am Ortsrand von Bredhouse war verwaist. Es fehlte ihm an sorgfältiger Pflege. Auch hier merkte man, wie arm die Gemeinde war.
    Ein kalter Wind streifte die sich sanft neigenden Bäume. Laub wurde von unsichtbaren Händen aufgenommen und durcheinandergewirbelt.
    Auf einmal schwebte ein ungewohnter Laut über die Gräber hin. Erst war es nichts mehr als ein Säuseln. Es kam kaum gegen die mannigfaltigen Geräusche des Windes und der Tierwelt an.
    Aber dann war es, als ob die Natur den Atem anhielte. Die Blätter fielen lautlos zu Boden und blieben dort liegen. Die Bäume standen still. In den Büschen hörte es auf, zu raunen und zu wehen.
    Stimme – die nicht von dieser Welt stammte. Nur Nachtgeister und Zauberinnen konnten sie hervorbringen, die sogenannten Druden.
    Jeder Winkel des Friedhofs war erfüllt von dem melancholischen Gesang.
    Die einzelnen Worte des Liedes gaben keinen Sinn, aber die Art der Tonfolge ließ keinen Zweifel offen – dieser Gesang war für die Toten bestimmt.
    Der Gesang, verebbte langsam und schwoll wieder an.
    Und dann tauchten die ersten Irrlichter über den Gräbern auf. Sie huschten hin und her, waren nicht faßbar.
    Auf einmal rauschten die Bäume wieder, obwohl kein Lüftchen wehte.
    Sie neigten ihre Kronen und bogen sich. Wie schwarze Schatten wirkten sie und ihre Äste wie Krallenfinger, mit denen sie ins Leere griffen.
    Die Büsche schüttelten sich, und waren da nicht glühende Augen, die aus dem dichten Blätterwerk hervorstarrten?
    Das Gesträuch erinnerte an kauernde Dämonen – sprungbereit, um sich auf ein Opfer zu stürzen.
    Dieses Opfer zeigte

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