Mark
schloss die Augen. In drei Stunden war er in Berlin. Von
jetzt an würde er einfach nie mehr an Mark denken.
Mark sah ihn immer noch erwartungsvoll an.
„ Ich wollte eigentlich gerade gehen“,
sagte Daniel.
„ Schade, ich hatte gehofft, dich
hier zu treffen.“
Daniel zog die Augenbrauen hoch. „Wieso?“
„ Na ja.“ Mark senkte den Blick auf
den Friedhofsweg. „Irgendwie musste ich an die Schulzeit denken und an dich,
als ich von Herrn Mücks Tod erfahren habe. Ich finde es schade, dass wir uns
seitdem nie gesehen haben.“
Daniel schnaubte, was sollte er dazu sagen? Hatte er
doch absichtlich jede Begegnung vermieden.
„ Ich meine, ich weiß, dass es lange
her ist. Vielleicht ist es dir inzwischen egal, aber ich hatte gehofft, wir
könnten irgendwann mal miteinander reden“, sagte Mark.
Es kostete ihn offenbar Mühe, das alles
auszusprechen. Daniel hätte nie erwartet, dass er so etwas sagen würde. Mit ihm
sprechen? Er wusste nicht, ob er das wollte.
„ Wozu?“
Mark holte tief Luft. Er sah auf einmal aus, als
wäre er wieder achtzehn.
„ Ich glaube, es gibt viel, was ich
dir nie gesagt habe.“
Immer noch unschlüssig trat Daniel einen Schritt
zurück.
„ Dein Bus fährt eh noch nicht, oder?
Ich dachte, ich fahre noch mal ins Dorf. Ich war lange nicht mehr da“, sagte
Mark.
„ Leben deine Eltern nicht mehr hier?“
„ Mein Vater ist vor einem Jahr
gestorben, und meine Mutter ist in ein kleineres Haus gezogen, in Strauwitz.“
„ Das tut mir leid, das wusste ich
nicht.“
Mark hatte sich Richtung Ausgang in Bewegung gesetzt
und deutete auf ein silbernes Auto.
Daniel sah ihm in die braunen Augen. Wovor hatte er
eigentlich Angst gehabt?
„ Ok, aber in einer Stunde fährt mein
Zug.“
Mark lächelte und öffnete ihm die Tür. Eine Weile
waren sie schweigend gefahren und hatten ihr Dorf erreicht.
„ Die sind neu, oder?“ Mark deutete
auf ein Zentrum mit drei großen Supermärkten.
„ Seit einem Jahr.“
Sie folgten der Straße, an der Kirche vorbei.
„ Hier hat sich aber nicht viel
verändert.“
„ Da ist Frau Krämer!“ Daniel sah der
alten Frau in der Kittelschürze hinterher. Hier war wirklich alles genauso wie
vor sieben Jahren.
Sie hatten ihre Straße erreicht. Daniel sah zu
seinem alten Zuhause. Die Vorhänge waren zugezogen, die Pflanzenkübel in der
Einfahrt zusammengestellt, wie es seine Mutter immer tat, wenn sie in Urlaub
fuhr. In Marks Haus war eine Familie eingezogen. Zwei Mädchen spielten vor dem
Haus mit einem Hund.
„ Lass uns zum See fahren.“ Er hatte
keine Lust, hier im Auto mit Mark zu reden, wo sie so dicht nebeneinander
saßen. Die Fahrt erschien ihm endlos, obwohl es nur wenige Minuten waren. Als
sie das Ufer erreicht hatten, parkte Mark das Auto, und sie stiegen aus.
Daniel trat näher ans Wasser, ohne auf Mark zu
warten. Mit dem Schuh tippte er an die Oberfläche. Er war lange nicht mehr hier
gewesen. Der See war ihm immer wie ein Freund vorgekommen, der ihm Ruhe
spendete. Und er war jetzt tatsächlich erstaunlich ruhig.
Mark hatte sich neben ihn gestellt. Daniel hoffte,
dass er bald irgendetwas sagen würde. Er hatte keine Lust, es ihm einfach zu
machen und selbst etwas zu sagen.
„ Ich habe dich mal in diesem See
baden sehen. Du bist einmal ans andere Ufer geschwommen, aber du hast mich
nicht gesehen.“
Verwundert sah er Mark an.
„ Ich glaube, es war, nachdem …“,
fuhr Mark fort, aber ihm schienen die richtigen Worte zu fehlen. „Nachdem wir
bei mir einen Film gesehen hatten und na ja. Du hast damals gesagt, ich hätte
doch begreifen müssen, dass du auf Männer stehst, und ich glaube, das hatte ich
auch. Aber ... ich weiß auch nicht. Ich hatte irgendwie gehofft, dass etwas
passiert. Als du mich berührt hast, hatte ich das Gefühl, als würde meine Haut
verbrennen. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich habe dich jeden
Morgen von meinem Fenster aus zur Schule fahren sehen. Ich wusste einfach
nicht, wie ich mit dir reden sollte. Ich schätze, ich hatte einfach Angst vor
meinen Gefühlen. Ich weiß, ich habe lange gebraucht, um das einzusehen. Du hast
es anscheinend schon viel früher begriffen. Ich habe mir am Anfang gesagt, dass
ich schließlich schon mal in ein Mädchen verliebt war und dass es nicht sein
kann.“
Daniel hatte, während Mark sprach, Steine in den See
gekickt. Nun hielt er inne. „Wie meinst du das?“ Er war sich nicht sicher, ob er
wirklich verstanden hatte, was Mark ihm
Weitere Kostenlose Bücher