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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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sowieso
eine Mordswut auf Lang hatte.«
    Das Wort »Mordswut« hing im Raum.
    »Die Frau ist wohl kaum seine Ehefrau, oder?«, fragte Melanie.
    »Wir haben sie nicht kennengelernt«, sagte Evi. »Aber Lang wohnt in
einem Haus im Steingadener Weg. In dem Eck von Peiting scheinen die besseren
Leute zu wohnen. Ich glaube kaum, er vögelt seine Ehefrau auf einem Balkon im
Zentrum.«
    »Das ist nicht seine Frau«, kam es von Gerhard.
    Evi fuhr herum. »Du weißt, wer das ist? Du weißt auch, wer der andere
Mann ist?«
    »Ich glaube zu wissen, wer das ist. Den andern Mann kenn ich nicht.
Ich muss jetzt mal telefonieren. Lasst mich bitte alle mal in Ruhe. Ich muss
einen Zeugen befragen. Sofort.«
    Evi starrte ihn an. »Du musst? Wir sind ein Team!«
    Gerhards Stimme bebte. Er hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu
halten. »Danke, Mel, danke, Felix. Sehr gut gemacht. Danke euch allen. Evi, ich
erklär dir das später. Ihr geht jetzt mal alle was essen oder sonst was! Ihr
habt frei bis morgen.« Gerhard holte kurz Luft. »Mel, ich brauch den Laptop,
Sie bekommen ihn unbeschadet wieder.«
    Melanie nickte nur verwirrt.
    »Und jetzt bitte raus!«
    Evi starrte ihn an, ihr Gesichtsausdruck war irgendwas zwischen
Wutanfall und Heulkrampf. Gerhard wusste, dass sie später weinen würde. Aus
Unverständnis, aus Machtlosigkeit, aus Enttäuschung über ihn. Er war nun mal
eine einzige Enttäuschung als Mann – und als Chef eine Zumutung. Gerhard
brüllte ein »Verdammt!« gegen den Computer und nahm dann das Telefon.
    Baier war da und wollte warten. Gerhard schnappte sich den Laptop
und stürzte die Treppe hinunter. Im Auto versuchte er ruhiger zu atmen. Er
drehte die Klimaanlage auf eiskalt. Schweren Herzens hatte er sich von seinem
alten VW -Bus getrennt, der TÜV hatte sie geschieden. Nun fuhr er
    einen Škoda Kombi mit viel Platz im
Fond, und ganz allmählich gewöhnte er sich an die Errungenschaften der
Automoderne.

SIEBEN
    Zähle, was bitter war und dich wach hielt,
    zähl mich dazu.
    Baier öffnete ihm die Tür. Der Rest seiner Familie war wieder mal
nicht zu sehen. Baier nickte ihm lediglich zu. Seine Miene war angespannt.
    Sie gingen in Baiers Arbeitszimmer, das Gerhard bisher noch nicht
kennengelernt hatte. Baier hatte also doch noch sein eigenes Reich. Der
Kühlschrank aus dem Hobbykeller war da, die Bierkrüge auch. Jede Menge Bücher,
ein Schreibtisch, eine alte Stereoanlage, ein Relaxstuhl. Der Raum lag in einem
seltsamen Halbdunkel, was von den Jalousien kam. In diesem Licht war der
Computer unangenehm hell, er forderte die Aufmerksamkeit geradezu. Gerhard musste
gar nichts tun, Melanie hatte ihnen »Diashow« eingestellt. Gerhard wagte es
nicht, Baiers Blick zu suchen. Als die Show von vorn begann, schmiss Gerhard
den Deckel regelrecht zu.
    »Baier, wieso tut sie das?« Dumme Frage. Was ging es ihn an, ob
Baiers zweifellos attraktive Nichte die Dorfschlampe war? Es betraf ihn nicht
oder nur insoweit er einen Mörder zu finden hatte und sowohl Miri als auch ihre
Lover höchst verdächtig waren.
    Baiers Gesicht lag im Halbdunkel. Er war auf seinen Relaxsessel
gesunken. »Sie hat aufgegeben. Sie hat sich aufgegeben. Ihre Werte. Sie rächt
sich. Aber sie tut sich dabei nur selber weh.«
    Baier wirkte auf Gerhard ungewöhnlich angespannt.
    »Woran rächt sie sich durch Vögeln?«
    »Die Frage lautet: An wem? Die Antwort lautet: An ihrem Mann.«
    »An ihrem Mann?«
    »An ihrem Exmann. Er hat sie zerstört.«
    Auch das Wort »zerstört« war Gerhard zu stark, zu dramatisch für
Baier.
    »Inwiefern zerstört?«, fragte Gerhard und fühlte sich irgendwie
unwohl.
    »Letztlich weil er ihr die Heimat genommen hat. Miri war immer sehr
offen, sie hatte ein großes Herz für ihre Nachbarn, hatte Esel und Ponys, auf
denen sie alle Nachbarskinder hat reiten lassen. Unentgeltlich natürlich. Ich
hab ihr immer gesagt: ›Das dankt dir keiner.‹ War auch so. Wenn sie – was selten
mal vorkam – krank war, schleppte sie sich mit neununddreißig Fieber in den
Stall. Von den Nutznießern ihrer Großzügigkeit war weit und breit keiner zu
sehen. Aber auf mich hat sie nicht gehört.«
    »Und ihr Mann?«
    »Termine, wichtige Termine. Ein wichtiger Mensch, die Arbeit geht
vor. Alles geht vor. Und nun lebt er da. Mit seiner Neuen, eine dumme Person.
In Miris Haus. Verstehen Sie, mir ist es ziemlich wurscht, wo ich wohne,
solange ich Bier und Rum und meine Bach- LP s
habe. Miri aber hatte dieses Haus. Wissen Sie, Weinzirl, das war ihr Haus.

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