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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Es
hat zu ihr gepasst wie ihre Latzhosen und Flatterröcke. Wie ihre Sonnenbräune.
Ein bisschen nachlässig. Immer großzügig. Sie haben im Gleichklang geatmet.
Ihre Handschrift hat aus dem Haus ein Zuhause gemacht. Für sie gehörte ihr Mann
dazu. Sie hat zu ihm gehalten. Er hat sie geschlagen. Ich meine, nicht
verprügelt. Es ist ihm die Hand ausgerutscht. Mehrfach. Kavaliersdelikte eben,
passiert so einem überarbeiteten Mann schon mal.«
    Gerhard sah Baier aufmerksam an. »Dann war er doch einfach ein
Arschloch. Warum hat sie wegen so einem ihre Heimat aufgegeben?«
    »Die übliche schmutzige Scheidung. Rosenkrieg. Aber da war mehr.
Miri hatte die inzwischen erwachsenen Söhne – erwachsen im Sinne von Jahren,
nicht im Sinne von Geistesstärke – ihrer Nachfolgerin unterrichtet. Sie war mal
an der Realschule. Eine ganz junge Lehrerin. Engagiert, vielleicht zu
kumpelhaft zu den Kids. Alle drei der Söhne waren damals schon so, dass man sie
null beeinflussen konnte. Es gab nur Ärger. Es waren immer die Lehrer schuld,
einer nach dem anderen ging auf die Hauptschule zurück, nie weil Zweifel an den
Gören aufgekommen wäre, nein, es waren immer die anderen. Die Lehrer, die
Gesellschaft. Die Gören waren ja antiautoritär erzogen worden, sollten sich
frei entfalten dürfen. Ha, ein Leben ohne Grenzen bringt immer das Schlechteste
hervor. Es ist Betrug an den Kindern, sie nicht zu erziehen. Die Eltern machen
es sich verdammt einfach, und am Ende nehmen sie ihnen jede Chance auf ein
Leben in der Mitte der Gesellschaft.«
    »Also, ich versteh Sie richtig, Baier? Miris Ex ist mit der Mutter
von ehemaligen Schülern zusammen, und die ehemalige Lehrerin ist ein
Hassobjekt?«
    »Natürlich, späte Rache. Miri war die Staatsfeindin Nummer eins. Sie
war angeblich schuld, dass die Jungs schulisch scheitern mussten und später
nicht mal ‘nen Quali zustande gebracht haben. Was die im Einzelnen machen,
keine Ahnung. Einer ist, glaub ich, dauernd in Schlägereien in Schongau
verwickelt, einer rast mit aufgemotzten Autos rum und erfreut die Kids mit
Darbietungen der besonderen Art. Er füllt Mädels ab, die er dann öffentlich
vorführt. Die Dreizehnjährigen – und das sind oft ganz nette, harmlose Kids –
haben dann pornografische Fotos oder Filmchen auf ihren Handys. Weinzirl, ich
sage Ihnen, wenn ich so was bei Winnies kleinem Bruder nicht selber gesehen
hätte, ich würde das nicht glauben. Winnies Mutter ist eine brave, katholische,
einfache Frau, die hat mir das gezeigt. Unglaublich, sag ich nur. Dass ein Kind
mal über die Stränge schlägt, mal eine ungute Phase hat, geschenkt. Das kennen
wir in unserem Job. Aber alle drei? Und an allem war die Gesellschaft schuld.
Und Miri.«
    Gerhard hatte die Stirn gerunzelt. »Aber das ist doch Unsinn, ich
meine, über den Verbleib an einer Schule entscheidet doch die Lehrerkonferenz
oder der Direktor oder sonst wer.«
    »Sicher, aber ich rede hier von Wahrnehmungsverlust und
Selbstbetrug. Solch antiautoritäre Kinder werden sich schon irgendwann mal
finden – denken die Eltern, wollen die Eltern glauben machen. Die meisten
finden sich nie mehr, und die anderen haben lange Zeit, bis ins hohe
Erwachsenenalter hinein, anderen die Fresse zu polieren. Sie schlagen Scheiben
ein, sind für Vandalismus gut, und ihre Eltern sehen weg. Freie Entfaltung,
längst schon wird dieser Kinder keiner mehr Herr. Sie und ich, Weinzirl, kennen
solche Fälle nur zu gut.«
    Gerhard war immer noch verwundert über die Bitterkeit in Baiers
Stimme, und so ganz begriff er das alles nicht. »Und um auf Ihre Nichte Miri
zurückzukommen: Der Ex lebt mit der Schülermutter nun also in dem Haus? Warum?«
    »Sie hätte ihn auszahlen müssen oder ihm das Haus überlassen. Sie
war auf der Flucht, letztlich. Sie hat versucht, sich dagegenzustemmen, aber
wenn die Last zu schwer wird, stemmen Sie nichts mehr. Sie war auf der Flucht.
Ist sie bis heute. Diese ganze Vielmännerei ist auch nur Flucht. Ich hätte ihr
gerne geholfen.«
    »Baier, ich kenne Ihre Nichte nicht. Aber das klingt doch so, als
müsste sie froh sein, den Typen los zu sein.«
    »Sicher, rational betrachtet. Emotional nicht. Wissen Sie, Weinzirl,
Miri war mal ‘ne ganz heiße Hummel. Hier gab’s den Griechen. Hieß eigentlich
anders, der Typ, war aber Grieche. Da verkehrte die damalige Szene, da gab’s
die angesagte Musik. Sie haben doch mal von Ihrem ›Pegasus‹ in Kempten erzählt.
Das ist vergleichbar, rockige Musik, Kultbands. Sie wissen

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