Markttreiben
sich ein.
»Winnie, was mir wissen mechten: In dera Nacht, wo des mit dem Leo
passiert isch, isch er do um zehne rum amol weg? Hot er di allui glassa?«
Gerhard hatte irgendwie das Gefühl, dass er Dialekt sprechen sollte, um Winnie
zu lockern. Und besser Allgäuisch als gar keinen Dialekt.
Was funktionierte. »Ja, er hot geseht, er muass was erlediga. Er hot
…«
»Was hot er?«, fragte Gerhard eindringlich.
»Mei, er hot …«
»Winnie. Der Mo isch tot. Du muasch eis alls saga!«
»Er hot die Chips aus der Kamera von der Sandra aussi, i moan, er …«
Winnie brach wieder ab.
»Sandra?«
»Die Fotografin vom Film. Die hoaßt so. Warn alle per Du mit dem
Leo.« Ehrfurcht sprach aus Winnies Worten.
»Was?« Baier mischte sich ein.
»Der Leo hot allwei scho die Bilder und a Filmausschnitt auf sei
Netbook auffi.«
Zweierlei nahm Gerhard wunder. Leo Lang hatte ein Netbook und konnte
Filme kopieren? Er selbst hatte nicht mal einen Laptop, und so was konnte er
schon gar nicht!
»Warum?«, fragte Gerhard.
»Mei, er war ja ganz narrisch wegs dem Film. Er war a Fan. Er hot
sich des Zeig oft agschaut. Immer wieder, dreimol hinteranad.«
Baier gab ein angewidertes Geräusch von sich. »Schön, der Film in
drei Aufzügen!«
Winnie sah ihn an. »Wieso in drei Aufzügen? Wieso fahrt er ned
durch? Aber der Leo hot au gar koan Aufzug in seim Haus.«
Gerhard hatte wieder große Mühe, nicht laut rauszuplatzen. Er
räusperte sich und wurde nun wieder hochdeutsch. »Winnie, wir haben aber in Leo
Langs Wohnung kein Netbook gefunden. Auch keinen Drucker«, fügte er noch an.
»Na.« Winnie druckste irgendwie rum.
»Was, na?«
»Weil i des hob«
»Bitte?« Baier hätte fast sein Glas umgestoßen.
»Wo des war mit dem Leo, wo i in der Friah zu Eana bin, Herr Baier,
do hob i denkt, dass der Leo Ärger kriagt, wenn ma sigt, dass der Sachen vom
Film kopiert hot. Do bin i in der Wohnung gwest. I woas ja, wo der Schlüssel isch.«
Winnie sah betreten aus. Das war ja wirklich putzig! Winnie schonte
seinen toten Kumpel, der sonst post mortem Ärger bekommen hätte. Welche krude
Denkweise.
»Winnie, wo hast du die Sachen?« Baier versuchte ruhig zu bleiben.
Der antwortete ganz schlicht. »Im Auto.«
Gerhard entfuhr ein Laut. Er sah durch die Scheibe. »Das Auto da
draußen?«
»Ja.«
»Winnie, magst du uns das Zeug mal reinholen?« Baier blieb ganz
ruhig.
»Klar.«
Winnie tapste nach draußen und kam mit einem Rucksack wieder. Gab
ihn Baier, der hineinblickte. Darin: ein Netbook und ein Fotodrucker.
»Winnie, hast du dir die Sachen angeschaut?«, fragte Baier.
»Na, koa Zeit ned.«
»Winnie, wir müssen das konfiszieren. Das sind Beweismittel«, sagte
Gerhard.
Winnie nickte betreten. »Muass i jetzt in den Bau?«
Baier rollte mit den Augen. »Verschwind bloß! Und sag denen da
draußen, dass wir das Gleiche gefragt hätten wie schon beim letzten Mal!«
Baiers Bitte war eher ein Befehl, einer, den Winnie verstand.
»Sicher, Herr Baier. Und vergelt’s Gott! Und nix für uguat.«
Gerhard starrte ihm nach. Schüttelte den Kopf. Trank einen tiefen
Schluck Russ. Schaltete das Netbook ein, nachdem er erst mal das Knöpfchen
suchen musste. Ohne Evi dauerte der ganze Computerkram immer viel länger. Leo
Lang hatte seine Verzeichnisse aber sehr ordentlich angelegt. Unter »Eigene
Bilder« waren sie im Unterverzeichnis »Film Hauptplatz« abgelegt – Leo hatte
alles nach Datum sortiert. Da waren die Bilder der Standfotografin.
»Irgend so ein Guru könnte uns sicher sagen, ob er die Bilder
gedruckt hat«, knurrte Gerhard.
»Ja«, brummte Baier, »aber ich geh mal davon aus, dass er das getan
hat.«
»Dann ist er aus seiner Wohnung spaziert und hat die Bilder Socher
unter die Nase gehalten und ihn erpresst?«
»Erpresst? Unter Druck gesetzt? Ihn einfach nur schocken wollen? So
gut kannte ich Leo Lang nicht. Aber Socher wird in jedem Fall alles dransetzen,
dass das nicht rauskommt. Er ist das bayerische Gewissen. Seine Frau ist auch
in allen Marktehrenämtern tätig. Erzkatholisch und so sozial.« Baier schnaubte.
Gerhard atmete tief durch. »Baier, ich darf aber auch nicht aus den
Augen lassen, dass er die Bilder Miri gezeigt haben könnte. Ich werde zu ihr
fahren müssen. So oder so.«
»Ich weiß. Lassen Sie mich da bitte raus, Weinzirl? Ich möchte
momentan auch nicht Frau Straßgütl Rede und Antwort stehen.«
»Sicher.«
Gerhard hatte Baier von einer neuen Seite kennengelernt. Von einer
sehr verletzlichen.
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