Markttreiben
keine
Kollegen mit dem Blitzer, und es war am Campingplatz auch nicht gerade
»Jungbullen-Ausbildung«, wo junge Kollegen Verkehrskontrolle üben mussten.
Erstmals lernen durften, wie es war, beschimpft und belogen zu werden. Ach, der
Blinker ist grad noch gegangen – obwohl der sicher schon ein halbes Jahr lang
tot war. Ach, ich war grad dabei, mich anzuschnallen, ich hatte meine Jacke nur
ausgezogen. Ach, mein Führerschein, also der ist im Geldbeutel meines Mannes,
weil ich doch gestern mit dem Geldbeutel, also … Die ganze Litanei des
Ausredenelends.
Vor dem Kiosk saßen ein paar alternde Motorradler, einer begrüßte
Baier gleich mal mit »Baier, werst Fußgänger, wo is dei Hocker?«. Es folgte ein
launiger Wortwechsel übers Motorradeln. Alte Männer unter sich, die Jugend fuhr
ja schon lange keine heißen Öfen mehr.
»Mein heißer Ofen steht in der Garage. Da steht er gut«, sagte
Baier.
»De Öfen san vielleicht no hoaß, aber mir Fahrer san maximal
lauwarm«, lachte gerade einer, der zwei Minihunde dabeihatte. Ein »Easy Rider«
mit Handtaschenhunden, die Welt wurde immer undurchsichtiger. Gerhard grinste
in sich hinein. Am anderen Tisch saß die Baufront, alle in
Engelbert-Strauss-Gewandung, alle redeten irgendwas und waren doch mit
mindestens einem Ohr bei ihnen. Gerhard gab sich keiner Illusion hin, dass die
nicht wussten, wer sie waren.
Die als Institution angekündigte Marlene kam gerade mit ein paar
Weißbieren aus der Tür und begrüßte Baier hocherfreut. Gerhard hatte eine alte
Kneipenmatrone erwartet, keine zierliche hübsche Frau mit Locken. Sie stellte
die Weißbiere bei der Latzhosenfront ab und sah Baier an.
Baier machte eine leichte Kopfbewegung, die Marlene und Gerhard
richtig zu deuten wussten. Sie gingen nach drinnen, wo es gemessen an der Hitze
draußen wie im Eisschrank war.
»Marlene, guat schaugst aus. Mein Kollege Weinzirl. Oder besser: Er
ist jetzt der Superbulle, ich bin der Rentenopa. Du, Marlene, hast du den
Winnie gesehen?«
Marlene lächelte und schenkte Gerhard ein »Griaß di« und sagte zu
Baier gewandt: »Der kommt gleich wieder. Musste einen nach Steingaden fahren.«
»Prima, schickst du ihn uns rein? Muss ja nicht gleich durchs ganze
Ammertal getrommelt werden, was wir zu reden haben.«
Marlene lächelte ein feines Lächeln. »Was trinkt ihr so lange?«
Angesichts des doppelten Rums bestellte Gerhard einen Russ, Baier
ein Weißbier. Dass das Bier vom »Hasen« war, war natürlich ein Manko.
Wenig später kam Winnie rein. Auch er ganz in Strauss-Latzhose, das
Karohemd hatte er falsch rum an, die Knöpfe nach innen.
»Herr Baier!« Winnie schien erfreut. Gerhard kannte er natürlich
noch. »Herr Kommissar.«
»Hat’s pressiert heut Morgen, Winnie?«, fragte Baier.
»Warum?«
»Dein Hemd.«
»Auwe zwick.« Er lachte schief.
»Harte Nacht?« Baier zwinkerte ihm zu. Das war Baier, das war er
auch, dachte Gerhard und lehnte sich fast wohlig zurück. Erst mal die Leute
sich warm reden lassen, man konnte hier am Land nicht einfach so mit der Tür
ins Haus fallen.
»Mir hamm an Geburtstag ghett, in der Firma. Woast, do wollten dia
echt a Stripperin, die wo aus der Torte kimmt.« Winnie hatte die Stirn
gerunzelt, dann sah er Baier an. »Bei eis am Bau passt doch a Torte ned, da
miast de Stripperin ja aus dem Wurschtsalat hupfn.«
Gerhard gab ein unterdrücktes Geräusch von sich. Er stellte sich
gerade die Stripperin mit den Zwiebelringen am Ohr vor und hatte alle Mühe,
nicht laut rauszuplatzen. Baier bewahrte den nötigen Ernst und nickte
verständnisvoll.
Winnie fuhr fort: »Mir hamm dann bloß gsuffa, Jacky und so an
Krampf, aber woast, unter der Woch. Einfach so unter der Woch.«
Ja, das Trinken unter der Woch beschränkte sich auf eine bis zehn
Feierabendhalbe, besinnungslos hingegen trank man sich erst am Wochenende. Die
Polizei konnte ein Lied von den Bauwagen- und Stadlfesten singen. Von Mädchen
mit Alkoholvergiftung, von reihernden Vierzehnjährigen, denen man den Magen
auspumpen musste. Oh ja, unter der Woch eher ungewöhnlich!
»Auwe, Winnie. Des werd scho wieder. Nach der ersten Hoibn geht’s
auf.« Baier lachte.
Gerhard überlegte kurz, wie schön es doch war, nicht bei der
Verkehrspolizei zu sein. Denn hier wären sie ja fast überbeschäftigt. Er war
sich ganz sicher, dass die fröhlichen Handwerker alle mit dem eigenen Wagen da
waren. Auch hier Audis zumeist, tiefergelegt, röhrend wie ein Hirsch in der
Brunftzeit.
Gerhard schaltete
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