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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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hatten
später nochmals die Wohnung betreten, als die Bilder aufgetaucht waren.
Womöglich hatte ja auch der wackere Winnie etwas übersehen, hatten sie damals
gedacht. Die Wohnung hatte nichts ergeben.
    Leos Wohnung war eine typische Junggesellen-Zweizimmerwohnung. Eher
ordentlich, aber ziemlich schmucklos, es fehlte die weibliche Hand, die
dekorierte oder Bilder aufhängte. In der Küche gab es einen kleinen Tisch mit
zwei alten Biergartenstühlen, im Wohnzimmer eine scheußliche Cordcouch und eine
Schrankwand, die ihm wahrscheinlich seine Mutter oder Großmutter vererbt hatte.
Im Schlafzimmer standen ein neunziger Bett, wilde Sexorgien hatte der Typ
sicher keine gefeiert, und ein alter Bauernschrank. Der passte so gar nicht zu
dem sonst lieblosen Spanplatten-Ambiente, denn es war ein schöner abgelaugter
Schrank, der irgendwo in einer Bauernstube auf einem Holzboden hätte stehen
müssen und nicht in so einem Kammerl. Auf so einem gelben Teppich, der in die
Jahre gekommen war. Er sah sogar so aus, als hätte man ihn erst kürzlich
restauriert.
    Gerhard hatte sich auf das Bett gesetzt, es war jedes Mal befremdlich,
in der Wohnung eines Toten zu sein. So wenig war übrig von Leo Lang, und es gab
noch weniger, was etwas über ihn ausgesagt hätte. Gerhard starrte auf den
Schrank und fühlte sich leer. Dann öffnete er das Ding, ein Modefreak war Leo
Lang auch nicht gewesen. Zwei Jeans, ein paar T-Shirts, zwei Trachtenhemden,
ein Janker, eine Winterjacke und Unterhosen, die sicher nicht dazu angetan
waren, Frauen zu erfreuen. Der Schrank hatte eine Kleiderstange und ein Abteil
mit Fächern. Er kannte solche Modelle, seine Eltern besaßen ähnliche Schränke,
und als Kind hatte er … Ja, er hatte!
    Schlagartig war Gerhard wach. Energie floss auf einmal wieder. Als
Kinder hatten er und ein paar Freunde entdeckt, dass einer der Schränke eine
doppelte Rückwand hatte. Noch entzückter waren sie gewesen, als sie darin ein
altes Tagebuch gefunden hatten. Weniger entzückt, weil es in Altdeutsch
geschrieben war und sie es nicht hatten entziffern können. Seine Mutter hatte
es ihnen dann auszugsweise vorgelesen, es war die Geschichte eines jungen
Mädchens gewesen, das als Magd auf einem Hof im Allgäuer Unterland gearbeitet
hatte. Für ihn als Lausbub war das ziemlich langweilig gewesen, für seine
Mutter, die nachgeforscht hatte, wer das Mädchen gewesen war, hoch spannend.
Wie das ausgegangen war, konnte er nicht mehr sagen.
    Gerhard tastete sich an der Rückwand entlang und entdeckte den Falz.
Die Wand war leicht herauszuheben. Der Hohlraum dahinter war etwa fünf
Zentimeter tief, und da stand ein großes Kuvert. Ein altes Kuvert. Gerhard zog
Handschuhe hervor und hob es so vorsichtig heraus, als handle es sich um eine
alte Pergamentrolle. Er nahm es mit zum Küchentisch und zog vorsichtig die
Blätter heraus. Was er sah, sagte ihm erst einmal gar nichts. Es waren
Explosionszeichnungen, eine seltsame Maschine war abgebildet, in schwungvoller
Schrift gab es Zahlen und Buchstaben, die Blätter sahen alt aus. Irgendwo im
rechten unteren Eck entdeckte Gerhard dann auch ein Datum: 1961 – vor fast
fünfzig Jahren war das entstanden. Nur – was war das, und was machte es in Leo
Langs Schrank?
    Er begann von vorn, betrachtete die Blätter genauer: Es waren
verschiedene Perspektiven zu sehen, die seltsame Maschine war von mehreren
Seiten abgebildet, gleichsam so, als wandere man um sie herum. Gerhard hatte
die Stirn in Falten gelegt, starrte diese Blätter böse an: Nun enthüllt mir
doch euer Geheimnis! Er begann umherzulaufen, zurück in das Schlafzimmer,
zurück zum Schrank. Nochmals – er wusste gar nicht so genau, warum er das tat –
kroch er ins Innenleben des alten Kameraden. Am Boden gab es noch ein Kuvert,
wie festgeklebt lag es da, farblich ans Holz angepasst wie ein Chamäleon. Er
zog es heraus und hastete retour zur Küche.
    Dieses Kuvert barg Schriftstücke, und langsam begriff er, um was es
hier ging. Ein gewisser Franz Paulus und ein gewisser Valentin Lang hatten wohl
den Plan, einen Hobel zum Patent anzumelden. Er las Schriftstücke mit
Unterschriften. Ein Blatt, das sich wohl statisch aufgeladen hatte und an einem
anderen festgeklebt war, flatterte zu Boden. Das war modernes Papier und eine
Computerschrift. Gerhard las mit zunehmender Verwunderung. Eine Rechnung von
Rainer Bader für das Restaurieren eines Bauernschranks.
    Gerhards Stirn war inzwischen so gerunzelt wie bei einem dieser
Hunde, die zu viele

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