Markttreiben
und ich
hab den Schussdampf nicht vertragen, hatte ständig Kopfweh und musste mich
erbrechen. Ich war eine Enttäuschung für meinen Vater, der war
Abteilungssteiger. Ich bin dann wieder auf die höhere Schule und später zur
Polizei.«
Wie eng hatte er mit Baier zusammengearbeitet, und doch hatte er so
gar nichts über dessen Vergangenheit gewusst. War das nicht häufig so im Leben?
Man glaubte, Menschen zu kennen, und hatte doch nur einen Atemzug lang Anteil
an deren Leben. Baier hatte sich ihm weit offenbart, und Gerhard wusste, dass
Nachfragen nicht erwünscht waren.
»Baier, wir sind von dem Hobel abgekommen.«
»Ja, genau. Also diese Ruhrpotthobel waren für uns weniger geeignet,
weil sie zu viel mit rausgerissen haben. Das ist unwirtschaftlich, weil man ja
in der Kohlenwäsche weit mehr Arbeit damit hatte, die Kohle vom Rest zu
trennen. Ein Hobel, der auf die speziellen Bedürfnisse im oberbayerischen
Pechkohlenabbau angepasst war, war natürlich eine wunderbare Innovation.«
Sie schwiegen beide und sahen auf die Zeichnungen.
»Und wie es aussieht, wollten sich Lang und Paulus das patentieren
lassen?«
»Wie es ausschaut«, wiederholte Baier.
»Wurde denn patentiert?«, fragte Gerhard.
»Soweit ich weiß, ja, aber das lässt sich am Patentamt ja leicht feststellen.«
Baier wirkte aufgewühlt, irgendetwas stimmte nicht.
»Baier?« Gerhard suchte seinen Blick.
»Die Namen, die beiden Namen.« Er flüsterte fast.
»Ja?«
»Valentin Lang war der Vater von Leo Lang.«
»Ja, und weiter?«
»Valentin Lang ist bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen.
Das war 1961. In der Nachtschicht. Wissen Sie, Weinzirl, es wurde ja stets eine
Seilkontrolle gemacht. Man fuhr ohne Handschuhe mit der Hand an den Seilen
entlang, ob da etwa eins splittert oder Ähnliches. Bei so einer Seilkontrolle
muss Valentin Lang abgestürzt sein. Siebenhundert Meter tief. Die
Staatsanwaltschaft war sogar da. Die Förderung wurde eingestellt. Halb Peiting
war tief betroffen. Valentin Lang war etwa fünfundzwanzig Jahre alt, und seine
Frau hatte ein Baby von vier Monaten.«
»Leo Lang?«
»Ja, genau. Leos Mutter Elli kam über der Verlust nie weg, sie
starb, als Leo zwanzig war, seitdem frettet sich Leo so durch.«
Gerhard lauschte Baiers Worten hinterher. »Und Paulus? Wer war
Paulus? Sie hatten den Namen in Zusammenhang mit einer älteren Dame im
betreuten Wohnen erwähnt.«
»Franz Paulus war der Mann von Maria, der erwähnten Dame.« Baier
schluckte. »Franz Paulus und damit auch seine Frau kamen zu beachtlichem
Vermögen durch ein Bergwerkspatent. Verdammt, Weinzirl!« Baier hieb mit der
Faust auf den Tisch.
Baier war zu seinem Rumdepot gegangen und hatte sich und Gerhard
einen Fingerhut voll vom Panamaer eingeschenkt. In Gerhards Kopf wirbelten die
Namen durcheinander. All die Langs und Paulus! Hinter den Namen formte sich ein
Gedanke.
»Die beiden stehen hier in den Papieren. Aber nur Paulus profitiert,
weil Lang tot war. Baier, Sie glauben, Paulus hat Lang ermordet und ihn um das
Patent beschissen?«
»Ja, das glaube ich. Der Unfall damals war dubios.«
Das war allerdings eine unglaubliche Geschichte und eine von
ungeheurer Tragweite. »Was wurde denn aus Paulus?«
»Der hat sich 1970 im Versuchsstollen unter der Schnalz erhängt.
Eine merkwürdige Geschichte, weil sich der Entdecker des Kunzestollens gar
nicht so weit entfernt einige Jahre vorher ebenfalls im Stollen erhängt hatte.
Von innen zugesperrt und erst von spielenden Kindern entdeckt worden, als er
schon ziemlich verwest da rumhing. Als hätte er das nachgeahmt. Und niemand
konnte das verstehen. Paulus hatte Geld, sein Sohn Peter war ein schlauer und
hübscher Bursche, seine Frau eine schöne und stolze Frau. Es wurde viel
spekuliert. War er unheilbar krank gewesen? All solche Dinge.«
Wieder schwiegen sie. Gerhard spürte, wie sehr und unaufhaltsam die
Vergangenheit an Baier herandrängte. Und sie waren beide Kriminaler. Sie
dachten das Gleiche.
»Eine Geschichte, die logischer wird, wenn Paulus Lang umgebracht
hat, weil er allein vom Patent profitieren wollte. Später hat ihn sein Gewissen
aber so gepeinigt, dass er sich umgebracht hat. War das so, Baier?«
»Es spricht vieles dafür. Nichts davon werden wir beweisen können.«
»Aber wir können fragen, was das mit der Gegenwart zu tun hat,
oder?«
»Das können wir.« Baier war immer noch aufgewühlt.
»Leo Lang gibt seinen Schrank zum Restaurieren. Rainer Bader, der
Restaurator, entdeckt
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