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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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diese Zeichnung und weist Leo Lang drauf hin. Bader hat
sie womöglich selber angesehen, wahrscheinlich aber nichts damit anfangen
können. Leo Lang aber hat die Zusammenhänge erkannt. Was wird er getan haben?
Jemanden von der Paulus-Familie zur Rede gestellt haben, oder? Den Sohn? Diesen
Peter?«
    »Peter Paulus ist auch tot, er war in Leos Alter. Er kam 1985 bei
einem Lawinenunglück am Schafreuter ums Leben. Seine Leiche wurde nie gefunden.
Wieder so ein tragisches Unglück für Peiting. Wissen Sie, Weinzirl, Ihnen muss
ich das ja nicht erklären, Sie sind ja auch ein Bergfex. Peiting hat eine große
Bergsteigergeschichte, und unser Michl Dacher ist natürlich eine Legende.«
    Dacher, natürlich, der war Peitinger gewesen. Ein kämpferischer,
aber doch so bescheidener und bodenständiger Mann. Der mit Reinhold Messner
1979 den K 2 bestiegen hatte. Damals bereits fünfundvierzig Jahre alt.
Dacher, der Mann, den Gerhard natürlich mit dem Geiselstein verband. Dacher, der
diese Felsnadel fast zu einer Art Peitinger Wahrzeichen gemacht hatte. Dacher,
der Mann, mit dem man heute noch auf der Kenzenhütte in tiefster Ehrfurcht
verbunden war. Er, der Oberallgäuer, hatte sich immer über die Flachländer
lustig gemacht, aber so lustig war das gar nicht. Einen Dacher hatte seine
Heimat nicht hervorgebracht.
    »Ich kenne Dacher, hab Filme über ihn gesehen. Ich hab das irgendwie
verdrängt, dass er Peitinger war.«
    »Ja, ein großer Sohn der Gemeinde und einer, der die Jugend
gefördert hat. Peter Paulus war so ein Ziehkind von ihm. Und aus Paulus hätte
ein Großer werden können. Die haben verrückte Wintergehungen gemacht damals,
die Burschen. Aber dann der Unfall.«
    »Es gibt also nur noch Maria Paulus?«
    »Ja, eine gestrenge Frau, die nie mit Wehklagen auf die Verluste
ihrer Männer reagiert hat. Sie wurde nur immer härter und beherrschter.«
    Wieder musste Gerhard die Namen in seinem Kopf sortieren. Es war
eine titanische Anstrengung für sein strapaziertes Gehirn, den Faden
wiederzufinden.
    »Also von vorne: Miri hatte ein Verhältnis mit Bader. Miri war mit
Frau Paulus befreundet.«
    Der Satz erfüllte Baiers Arbeitszimmer. Ein mächtiger Satz.
    Baier füllte den Rum nach. Wieder nur einen Fingerhut voll.
    Gerhard fuhr fort. »Nehmen wir mal an, Miri hat das mitbekommen, was
Bader da gefunden hat. Im Gegensatz zu Bader kann sie mit dem Namen Paulus was
anfangen. Sie kennt die Zusammenhänge, kennt die alte Geschichte
wahrscheinlich. Sie ist clever, kommt auch auf die Idee, dass Lang um das
Patent betrogen wurde. Was tut sie?«
    »Sie redet mit Leo Lang. Sie redet mit Maria Paulus«, sagte Baier
leise.
    »Wer von den beiden ist aber nicht daran interessiert, dass die
Geschichte ans Licht kommt?«, fragte Gerhard mit einem Beben in der Stimme.
    »Maria Paulus. Ihr ganzes Leben und ihr Vermögen fußt auf diesem
Betrug. Fußt auf Mord.« Baier klang ungläubig.
    »Und sie bringt Lang um und dann Miri?«
    »Weinzirl, Maria Paulus ist stark gehbehindert. Sie kann ganz kurze
Strecken mit dem Gehwagerl gehen, ansonsten ist sie auf einen Rollstuhl
angewiesen. Unmöglich!«
    »Dann gibt es jemanden, der oder die Maria Paulus das abgenommen
hat«, sagte Gerhard.
    »Maria Paulus hat einen Mörder angeheuert? Unsinn, Weinzirl. Wir
leben in der Realität, nicht im Fernsehen.«
    »Jemand aus der Familie, der auch von dem Geld profitiert?«
    »Da gibt es niemanden mehr. Maria Paulus ist die Letzte. Ihre
Schwester tot, ihr Mann tot, der Einzelkind war. Ihr Sohn tot.«
    Ihr Sohn tot. In der Lawine umgekommen. Am Schafreuter. Gerhard
hatte die markante Flanke des Berges vor Augen. Ein schöner Berg. Er wagte
kaum, den Satz zu denken, geschweige denn ihn zu formulieren. Doch dann wagte
er es doch.
    »Baier, was, wenn Peter Paulus noch lebt? Was, wenn Miri das wusste?
Was dann?«
    »Aber wie? Aber wo? Das ist doch schon wieder eine filmreife Story,
Weinzirl!«
    »Aber möglich.«
    »Möglich, möglich, verdammt, Weinzirl. Und wir spinnen uns das
zusammen, weil wir nicht glauben wollen, dass Miri sich umgebracht hat.«
    »Ich glaube es nicht. Jetzt schon gar nicht mehr. Und nicht, weil
ich’s nicht glauben will. Da ist etwas anderes: Miri hätte das nicht getan. Ihr
Schreiben hat sie gerettet. Wenn ich mich jeden Moment in der Phantasie
umbringen kann, wenn ich die Schritte durchdenke, dann befreit mich das. Auch
wenn alle anderen glauben, sie hat es getan. Alles logisch, aber sie hat es
nicht getan!«
    »Weinzirl!« Von Baier

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