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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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aber doch nicht als
eigenständige Personen. Als Ehefrauen, ja. Als Geliebte, ja. Als Mutter, ja.
Als Tochter, ja. Frauen sind immer Besitz eines Mannes, sie stehen immer in
irgendeiner Beziehung zu einem Mann. Sie sind nicht einfach. Sie existieren
nicht als Einzelperson.«
    »Mittelalter?« Gerhard lächelte bitter.
    »Menschsein. Schwäche. Die Zeit ist egal. Was weiß ich. War immer
so. Wird so bleiben. Egal, was die Schwarzer mal veranstaltet hat. Weil die
Frauen sich selber torpedieren.«
    Baier sprach nun wieder seinen abgehackten Stil, den Gerhard so
liebte. Knapp, präzise, aber heute mit Zittern in der Stimme. Er wartete, Baier
fuhr fort:
    »Glauben Sie nicht, dass es die Männer waren, die Miri angegriffen
hatten. Die Weiber waren es. Als Ehefrau ging sie noch so durch. Gerade noch.
Aber ohne Ehemann: Alarm, Gefahr. Und Neid. Miri war nonkonform. Sie konnte
leben ohne Mann. Hatte eigenes Geld. Hatte Freunde. Männliche auch noch. Sie
hat das gewagt, was die Verdruckten, Ängstlichen, Dummen nie gewagt haben. Sie
wurde gehasst.«
    »Aber sie war dabei kreuzunglücklich.« Gerhards Stimme brach.
    »Ja, und ich hätte nicht übel Lust, jedem dieser intriganten Weiber
Miris Sterbebild vor die Nase zu halten und zu schreien: Das ist euer
Verdienst. Aber ich tue es nicht. Schon gar nicht am Stammtisch. Man lebt nicht
nach außen. Nicht bei uns, Weinzirl!«
    »Aber Miri hat das getan? Nach außen gelebt?«
    »Ja, von Anfang an. Sehen Sie, sie und ihr Mann haben sich auf den
Präsentierteller begeben. Er aus Eitelkeit. Sie aus Naivität. Kaum war er weg,
haben die Alkoholnasen und die Waschweiber ihr Wissen gegen sie verwendet.«
Baier stöhnte auf. »Warum red ich darüber, es ist vorbei. Sehen wir der
Wahrheit ins Gesicht. Der Fall ist geklärt, Miri hat Leo Lang umgebracht. Sie
hatte ein Motiv, sie hat gestanden.«
    Gerhard starrte Baier an, durchbohrte ihn mit Blicken. »Ja, warum
reden Sie, Baier? Ich sag Ihnen, warum. Das ist Ihre Nichte, die Sie kennen.
Sie glauben das nicht mit dem Selbstmord. Gerade Sie nicht!«
    »Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Man kann in die Menschen
nicht reinschauen, niemals, auch nicht in die, die man zu kennen glaubt. Was
wollen Sie? Einen Mord, weil ein Mord das eigene Versagen nicht so sehr ins
Zentrum rückt? Weinzirl, was glauben Sie, wer Sie sind?« Baier war laut und
fahrig. Er war außer Kontrolle. Ein Baier, den Gerhard so noch nicht erlebt
hatte.
    »Sie glauben es nicht. Ich auch nicht.« Gerhard bemühte sich um
einen ruhigen Ton, aber auch seine Stimme kippte.
    »Weinzirl, glauben Sie, dass ich nicht an jedem Tag und an jedem
weiteren, der noch kommen wird, weiß, dass ich versagt habe? Weil ich ihr nicht
geholfen habe, weil ich die Vorzeichen nicht erkannt habe. Gerade ich, ich bin
ein verdammt schlechter Kriminaler. Vielleicht war ich immer ein schlechter …«
    »Baier, Sie waren nie ein schlechter Kriminaler. Und gerade deshalb
wissen Sie, dass da was nicht stimmt.« Mit Gerhards Beherrschung war es vorbei.
    »Weinzirl, ich gehe jetzt. Lassen Sie mich jetzt bitte in Ruhe.
Zügeln Sie Ihre Wut. Angehörige von Suizidopfern hassen das Opfer, weil es sie
im Stich gelassen hat. Sie hassen, weil sie nichts mehr tun können.
Endgültigkeit ist etwas, womit die wenigsten umgehen können. Dabei ist die
Endgültigkeit eine stille Verbündete. In der Endgültigkeit liegt Ruhe.«
    Gerhard hörte gar nicht mehr zu. Wieso hatte Baier »Angehörige«
gesagt?
    »Schauen Sie nicht so, Weinzirl. Ich weiß, dass Sie sich in sie verliebt
haben. Mit ihr geschlafen. Sie Idiot.« Und ohne ein weiteres Wort verschwand er
durch die Tür von Gerhards Büro.

ELF
    Und einmal (wann? auch dies ist vergessen):
    den Widerhaken gefühlt,
    wo der Puls den Gegentakt wagte.
    Gerhard riss seine Jeansjacke vom Stuhl, brüllte ins Nachbarbüro,
dass er weg sei, und fuhr nach Hause. Schnappte sich sein Mountainbike und fuhr
los. Wie ein Irrer fuhr er. Den Forster Berg hinauf, durch Birkland. Wieso er
in Apfeldorf landete, war ihm selber unklar.
    Bettina Deutz saß im Garten, diesmal mit einem Buch. Sie sah auf,
als seine Bremsen leise quietschten. Er lehnte das Rad an den Zaun und ging
durchs Gartentor. Setzte sich auf den zweiten Stuhl.
    »Und nun?«, sagte Bettina Deutz nach einer Weile.
    »Ich habe keine Ahnung. Nicht die leiseste.«
    »Ich auch nicht. Wollen Sie was trinken?«
    Er zuckte die Schultern. Sie ging ins Haus und kam mit zwei Bier
wieder. Komisch, sie sah nicht aus wie eine

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