Markttreiben
Schöne alte Tiroler Truhen.
»Glaubst du wirklich, sie hat sich umgebracht?«, sagte Bader
plötzlich. »Glaubt das die Polizei?«
Gerhard war kein Herzausschütter, keiner, der auf Männergespräche
gestanden hätte. Aber heute hätte er jemanden gebraucht. Einen Menschen, der
genauso wenig wie er glauben wollte, dass Miri sich umgebracht hatte. Aber das
war undenkbar, zumal sein Gegenüber über Jahre mit dieser Frau geschlafen hatte.
Er nur einmal. Er musste auf der Hut sein.
»Der Fall ist abgeschlossen, ja. Es gibt einen Abschiedsbrief, es
gibt ein Motiv.«
»Scheiße«, murmelte Bader.
»Ja, Scheiße!«, brüllte Gerhard ihn plötzlich an. Seppi hatte den
Kopf hochgerissen und kam angespurtet. Was war mit Herrchen los? Gerhard
tätschelte ihm beruhigend den Kopf. »Ist okay, Kumpel.« Dann wandte er sich an
Rainer Bader, bedeutend leiser, aber mit einer Eisesstimme. »Okay, wir haben
uns lange nicht mehr gesehen, aber du bist ein Teil meiner Vergangenheit. Wir
waren mal Kumpels. Sorry, wenn du keine Bullen magst, aber gibt dir das das
Recht, mir Informationen vorzuenthalten? Gerade mir.«
Rainer Bader sah weg.
»Wegschauen, genau. Prima, Rainer, eine reife Leistung. Wieso erfahr
ich nichts von dem Schrank, den Leo Lang hier hat restaurieren lassen? Wir
haben es mit einer Mordermittlung zu tun, geht das in deinen Künstlerschädel
rein?«
Bader schwieg. Gerhard feuerte das Kuvert mit den Zeichnungen auf
den Tisch. »Rede, Rainer!«
»Woher hast du das?«
»Wieso fragt mich jeder immer, woher ich etwas habe? Ich bin Bulle,
vergessen? Wir können so was.« Er wurde wieder lauter.
»Leo Lang war tatsächlich hier, er hatte einen alten Schrank, den er
aufarbeiten lassen wollte«, sagte Bader lahm.
»Wieso gerade du? Gibt’s in Peiting keine Restauratoren? Willofs ist
ja nicht gerade der nächste Weg und der Nabel des Universums«, plärrte Gerhard.
»Effi hat das arrangiert.«
»Effi?«
»Effi ist Leos Cousine. Ihre Mutter ist eine geborene Lang.«
»Wie bitte?« Für einen Moment war Gerhard sprachlos. Sie waren bei
Effi gewesen, die angegeben hatte, Leo Lang flüchtig zu kennen. Rainer hatte
auch mit keinem Wort etwas verlauten lassen. Kein Wort vom Verwandtschaftsgrad.
»Sie hat keinen Ton gesagt. Du auch nicht, du Trottel!« Gerhard war
außer sich.
Bader schwieg.
»Mach das Maul auf!«
»Na ja, Leo ist nicht gerade Effis Lieblingscousin. Sie haben wenig
Kontakt, nur ab und zu auf Familientreffen. Sie hasst diese Sauferei. Effi
bemüht sich seit Jahren, diese Stadlfest- und Bauwagenkultur einzudämmen. Diese
Schwarzgastronomie. Da ist ein Burschenvereinscousin natürlich anderer Meinung.
Sie hat ihn beim Bürgerfest getroffen, und da war er auch schon ziemlich zu.
Sie hat wohl mal wieder versucht, ihn zu erziehen. Sie haben sich gestritten
wegen der Sauferei. Effi war dann sehr betroffen, als sie von seinem Tod gehört
hat. Sie kam da gar nicht drüber weg. Sie sagte immer wieder: Und das Letzte,
was uns verbunden hat, war Streit. Wie furchtbar.«
Ja, wie furchtbar. Deshalb also der Streit. So einfach war das.
Gerhards Gedanken überschlugen sich. Wieder keine Spur. Wieder nur Umwege und
Auslassungen. Er starrte Bader an, und der redete weiter.
»Schau, wegen der Fotos: Leo hätte doch seine Cousine nie erpresst.
Er hat bei mir angerufen und gesagt, dass ich mit dem Scheiß mit Miri aufhören
soll. Dass mir sonst mal ein paar seiner Burschenvereinler eine aufs Maul hauen
werden. Familienehre, er hat seine Cousine beschützt, egal, ob er sie mochte
oder nicht. Blut ist dicker als Wasser. Auch da.«
»Und das erfahr ich alles erst jetzt? Du verdammter verstockter
Granatendepp!«
»Effi war wirklich verstört wegen des toten Leo. Ich wollte so wenig
Staub wie möglich aufwirbeln. Als ihr da mit eurer Erpressertheorie kamt, dacht
ich eben, Ruhe bewahren ist das Beste.«
»Ruhe bewahren nennst du das? Du hast mich angelogen, du Idiot, du.«
»Nein, nur Teile ausgespart.«
»Dann beenden wir deinen Sparkurs jetzt mal! Weißt du was, ob Leo
Miri angesprochen hat? Ob er ihr zugesetzt hat? Ob er ihr wirklich gedroht
hat?«
Bader sah nun wirklich verzweifelt aus. »Nein, das weiß ich nicht.
Und glaub mir, ich habe mir diese Frage Millionen Mal gestellt. Ob ich etwas
hätte tun können? Ob ich schuld bin? Ich weiß ja nicht mal, warum sie sich
umgebracht hat. Ich hab nur gehört, es gäbe einen Abschiedsbrief und ihre
Aussage, sie hätte Leo getötet. Warum?«
»Ich kenne den Brief, ich darf
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