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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Hund seiner Größe gewisse
Verteilungskämpfe die Decke betreffend zur Folge hatte.

ZWÖLF
    Fadensonnen
    über der grauschwarzen Ödnis.
    Ein baum-
    hoher Gedanke
    greift sich den Lichtton: es sind
    noch Lieder zu singen jenseits
    der Menschen.
    Gerhard erwachte und fror, ein ungewohntes Gefühl. Seppi lag da,
schnarchend und vollständig zugedeckt. Gerhard musste grinsen, das war einer
der tausend Vorteile von Tieren. Sie brachten einen zum Lachen, dann, wenn
sonst alles tiefdunkel war. Gerhard öffnete die Terrassentür. Draußen lag auf
einmal Schnee. Nein, kein Schnee, nur Hagelberge. Es hatte empfindlich
abgekühlt, Wolken rasten über den Himmel, der Wind war eisig. Zumindest fühlte
er sich nach der Glutofenhitze so an. Gerhard zog seit Langem mal wieder die
schwere Lederjacke an. Als er ankam, saß Baier in seinem Büro. Er hatte
Butterbrezen dabei.
    »Weißbier erschien mir noch etwas früh«, sagte er nur.
    Sie bissen erst mal herzhaft hinein, als Baier fragte: »Und was sagt
Bader?«
    Gerhard berichtete von dem Gespräch.
    »Dann ist Effi sozusagen raus, oder?«
    Eine ungewohnte Formulierung für Baier. Wahrscheinlich Nellys
Einfluss. »Ja, wir werden das überprüfen müssen, aber diesmal hat Rainer, glaub
ich, alles erzählt.«
    »Was ich von Maria Paulus nicht sagen kann. Und was für die Zukunft
noch schlechter ausschaut.« Das klang kryptisch. Gerhard wartete. Langsam
begann Baier zu erzählen. Er war in der Einrichtung gewesen unter dem Vorwand,
sich nach Maria Paulus erkundigen zu wollen. »Ich hab sie länger nicht mehr
gesehen, sie hat sehr abgebaut. Sie war immer eine Feste, ich mein, nicht fett,
aber nie schlank. Wenn die heute noch fünfundvierzig Kilo hat, ist das viel.
Sie hat mir erst mal kondoliert und gesagt, wie sehr sie sich freut, mich zu
sehen.«
    »Hat sie?«, fragte Gerhard vorsichtig.
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube nicht. Sie war irgendwie
angespannt. Hoch konzentriert. Irgendwie auf dem Sprung. Ihre Augen gingen
rastlos hin und her.«
    »Und weiter?«
    »Ja, das war eben das Seltsame. Sie hat es mit Small Talk versucht.
Über Leute, die wir kennen. Über mei liabs Enkerl. Kein Wort über Miri. Ich hab
sie dann gefragt, in aller Höflichkeit und Ehrerbietung natürlich, ob sie sich
vorstellen könne, dass Miri sich umgebracht hat. Ich, der verzweifelte Onkel,
der am Ende so wenig über die Nichte gewusst hat. Aber sie, sie war doch eine
so gute Freundin und ein Vorbild für Miri. Hab ich gesagt.«
    »Sie haben versucht, ihr zu schmeicheln?«
    »Nein, nur ihre Bedeutung hervorzuheben.«
    »Hat es funktioniert?« Gerhard lächelte Baier an und wusste einmal
mehr, wie großartig dieser Mann war. Wie sehr er es schätzte, Baier zu kennen.
Irgendwann musste er das Baier mal sagen. Zum richtigen Zeitpunkt.
    »Sie sagte: ›Als Vorbild taugte ich wenig.‹ Sie sagte das sehr
bitter. Und sie sagte, dass man ›am End halt ned in die Leut neischaugn‹ kann.
So ein Verlust wiege immer wie ein Zentner, hat sie gesagt. Sehr schwer, an sie
heranzukommen. Jedenfalls hab ich dann gemeint, es sei ja auch eher vermessen
von mir, über Verluste zu reden, wo sie doch auch den Mann und dann den Sohn
verloren habe.«
    »Eine Reaktion?«
    »Ich weiß nicht. Da war so ein Aufflackern in ihren Augen. Sie sah
zu ihrer Kommode. Da steht seit Jahr und Tag ein Bild von ihrem Peter.
Aufgenommen kurz vor seinem Tod. Ich hab dann mal so dahingesagt: ›So ein
hübscher Bursche, so ein kluger Kopf, so ein begnadeter Sportler ist er
gewesen. Was hätte aus ihm werden können!‹ Sie sagte darauf wieder sehr bitter:
›Man muss loslassen können, jedes Jahr aufs Neue.‹«
    »Aber das ist doch ein seltsamer Satz. ›Jedes Jahr aufs Neue‹
verliert sie ihren Sohn, der irgendwo inkognito lebt, oder?«
    »Ach Weinzirl, das wollen wir reininterpretieren.«
    Baier wirkte älter als bei ihrem Zusammentreffen an der Raiba. Da
war er Gerhard wie ein fideler Opa vorgekommen. »Und Leo Lang. Konnten Sie den
ins Spiel bringen?«, fragte Gerhard.
    »Ja. Es gab Kaffee und Kuchen, sehr gut überdies, ich glaub, ich
check da auch ein.« Er lachte kurz auf. »Na, jedenfalls sind wir drauf
gekommen, dass einen im Alter nur noch die Todesfälle, die Todesanzeigen und
die Beerdigungen verbinden. Und ich hab dann eben auch auf Leo Lang abgehoben,
der ja auch viel zu früh sterben musste.«
    »Und Frau Paulus?«
    »›Wir bestimmen nicht über eine angemessene Lebenszeit, manchmal
bestimmen andere‹, sagte sie.«
    »Das

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