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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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ist, das klingt …«
    »Ja, ich weiß, ich hatte auch die ganze Zeit das Gefühl, als wolle
sie mir doch noch etwas erzählen. Dann stand sie auf und ging mit ihrem Wagerl
zur Toilette. Wenige Minuten später die Notglocke, die Schwester stürmte
herein, hinein ins Bad. Maria war gestürzt, war bewusstlos, ich hab der
Schwester geholfen, sie aus dem Bad zu holen. Dann war ein Arzt da, ein Notfallbett,
sie hatte das Bewusstsein wiedererlangt. Alles ging sehr schnell, und wie in
einem Spuk waren alle plötzlich weg.« Baier schob ein paar Brezenkrümel auf dem
Tisch zusammen.
    »Und?«
    »Und, Weinzirl? Ich saß da, als sei ein Gewitter über mich gezogen.
Die Ruhe nach dem Sturm. Es war auf einmal so still. Da war nur noch der Sohn
auf der Kommode, der mich angesehen hat.«
    Gerhard blickte Baier erstaunt an.
    »Schauen Sie nicht so! Ich kannte Peter Paulus. Er war als junger
Mann kühn und unangepasst. Er war ein wenig arrogant gewesen. Peter Paulus
schaute mich an von der Kommode. Und dann habe ich sie geöffnet. Ich dachte an
den Schrank. Sie hatte diese üblichen offenen Schubladenfächer, die solche
Kommoden haben, und in der Mitte ein Kästchen mit Schlüssel. Wenn man auf so
was nicht sensibilisiert ist, bemerkt man nicht, dass das Kästchen außen höher
ist als sein Innenraum.«
    Gerhard sah ihn mit noch mehr Überraschung an, dann keimte eine
Ahnung in ihm auf. »Baier, Sie wollen sagen …«
    »Ich will sagen, es hatte einen doppelten Boden, der ein Fach
freigab, das etwa sieben Zentimeter hoch war.«
    Gerhard atmete tief durch. »Ja weiter, was war drin?«
    Baier förderte ein Kontoauszugsbüchlein zutage und eine CD .
    » CD ? Bei einer Frau
dieses Alters?« Irgendwie war Gerhard immer noch von der Rolle. Baier machte so
was?
    »Weinzirl, unterschätzen Sie mir die Senioren nicht. Frau Paulus
leitet den PC -Klub in ihrer
Einrichtung. Sie war bis zu ihrer Pensionierung irgendwas Wichtiges in der
Verwaltung bei der Agfa. Sie ist ein Alphamensch. Sie hatte nie viele Freunde,
aber sie hatte immer eine führende Position eingenommen.«
    »Wahrscheinlich hatte sie deshalb keine Freunde«, murmelte Gerhard
und legte die CD zur Seite. Er
begann vorsichtig in dem Büchlein zu blättern. Die Bank saß in Österreich, und
jeden Monat ging eine große Summe Geldes an den immergleichen Empfänger. Piets
Nest. Gerhard hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt. »Und die CD ?«
    Baier machte eine wedelnde Handbewegung in Richtung Computer.
Gerhard legte die CD ein. Bilder flackerten
auf. Reisebilder, die einem Prospekt für die wichtigsten Must-sees der Welt
hätten entsprungen sein können. Palenque in Mexiko, die Twin Towers, als es sie
noch gegeben hatte. Gaudís Kirche und die weiß aufgetürmten Häuser von
Santorin. Die Oper von Sydney, aber auch die Kleine Meerjungfrau in Kopenhagen.
Kapstadts Küstenlinie. Im Vordergrund war Maria Paulus zu sehen, manchmal
allein. Manchmal zusammen mit einem jungen Mann. Die Bilder waren nach Jahren
sortiert. Maria Paulus wurde älter, der Mann auch. Manchmal war auch er allein
auf den Bildern zu sehen. Er trug stets irgendeine Kappe oder einen Hut.
    »Ist er es?« Gerhards Stimme bebte.
    Baier zog eine alte Alpenvereinsbroschüre heraus. Heute war
anscheinend Bilderbuchtag. Einstellungen entlang des Halblechs, dann ein
Forstweg an den Stauseen und schließlich: Wankerfleck, ein Almboden wie gemalt.
Verdammt, er musste wieder mehr in die Berge gehen, dachte Gerhard. Wie oft war
er früher durchs Ammergebirge gegangen oder gebikt, ein Gebirge von verführerischem
Reiz. Ein royales Gebirge, dem das gesamte bayerische Königshaus verfallen
gewesen war. Die Überreste der Jagdhütte von König Max II . waren noch zu sehen, und hoch über dem
Vierzig-Meter-Wasserfall hinter der Kenzenhütte waren immerhin die Reste des
Stauwerks für die bengalischen Nächte bei den Aufenthalten des Märchenkönigs zu
sehen. Berge beruhigten, Berge fokussierten. Peter Paulus musste das gewusst
haben. Das vorletzte Bild zeigte ihn vor der Wankkapelle, den Geiselstein im
Rücken. Knapp neunzehnhundert Meter war der hoch, glaubte sich Gerhard zu
erinnern. Er wirkte höher, dieses Matterhorn des Ammergebirges. Die
Bildunterschrift besagte, dass Paulus eine verwegene Route von Dacher
nachgeklettert war. Paulus lachte in die Kamera. Ein hübscher junger Mann, ein
sehr hübscher.
    »Was denken Sie?«, fragte Baier.
    Gerhard starrte die Bilder an. »Die Nase ist anders, das ganze
Gesicht ist anders. Die

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