Marlene Suson 2
Lächeln, ein Flötenkonzert . . .“
Megans Spannung ließ ein wenig nach.
„. . . und vielleicht einen harmlosen Kuß.“
Sofort versteifte sie sich wieder. „Auch wenn ich über Ihr An- gebot, mir in den nächsten Tagen auf der Farm zu helfen, froh bin, muß dieser Punkt ein für allemal geklärt werden: Unter kei- nen Umständen darf sich das wiederholen, was heute nachmittag unten am Fluß passiert ist.“
„Weshalb nicht?“ Er grinste übermütig. Er konnte es einfach nicht lassen, Megan ein wenig aufzuziehen. „Wir würden es beide genießen.“
Das würden sie ohne Frage. Dafür würde er schon Sorge tragen.
„Nein, Mr. Wingate“, gab sie eisig zurück. „Ich würde es ganz und gar nicht genießen.“
Und ob du das würdest, dachte Stephen.
„Geben Sie mir Ihr Wort, daß Sie sich anständig benehmen werden?“
Er seufzte. „Megan, ich werde Ihre Tugend nicht antasten, wenn es das ist, was Sie wollen. Sie mögen mir vielleicht nicht glauben, aber ich bin ein Gentleman. Niemals würde ich eine Frau zwingen, oder auch nur überreden, etwas gegen ihren Wil- len zu tun. Erst recht nicht, wenn es sich um eine Frau handelt, der ich so zu Dank verpflichtet bin.“
Es war ihm ganz ernst damit. Doch ihre Reaktion auf seinen Kuß hatte ihm verraten, was sie in Wirklichkeit wollte.
Sie wußte es nur selbst noch nicht.
Aber er würde schon dafür sorgen, daß sie es irgendwann einsah.
10. KAPITEL
Nach dem Abendessen gab Meg ihrem Bruder einen Kräuter- trank, damit seine Schmerzen ein wenig nachließen und er zur Ruhe kam. Während sie das Geschirr abwusch, reinigte Stephen das Gewehr.
Meg lachte heimlich in sich hinein, wenn sie daran dachte, wie Stephen Bess zu umgarnen versucht hatte, damit sie ihre Milch hergab. Er hatte zwar offensichtlich keine Ahnung von der Farmarbeit, doch sie mußte ihm zugute halten, daß er sich zumin- dest Mühe gab. Seine ungeschickten Versuche waren irgendwie rührend.
Als sie mit dem Abwasch fertig war, schlief Josh fest. Sie hob sein zerrissenes Hemd auf, um es zu flicken. Da der Abend angenehm warm war, ging sie mit dem Hemd nach draußen.
Sie setzte sich auf die roh gezimmerte Holzbank neben der Tür und genoß die sanfte Brise, die den Duft nach Erde und Tan- nennadeln zu ihr herübertrug. Ein paar Minuten später gesellte Stephen sich zu ihr. Er hatte einen Schemel mitgebracht und setzte sich ihr gegenüber. „Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Vater, Megan.“
Sie schaute von ihrer Näharbeit auf. „Er war so freundlich und gutmütig, daß alle ihn mochten. Als er anfing, hatte er nichts als ein kleines Stück Land und machte daraus die große Plantage, die Ashley Grove heute ist.“
„Man erzählt sich, daß Ihre Mutter früher eine gefeierte Schönheit war.“
Meg nickte. „Als Papa sie heiratete, war sie die um- schwärmteste Frau in der ganzen Gegend. Sie hatte Dutzende von Verehrern, doch sie wählte Papa.“ Es lag auf der Hand, weshalb ihre Mutter ihren gutaussehenden, erfolgreichen Vater allen anderen Bewerbern vorgezogen hatte.
Doch er hatte den Tag verwünscht, an dem sie es getan hatte.
Mama hatte Bewunderung und Zuwendung gebraucht und verlangt. Alles mußte sich um sie drehen. Nachdem sie verhei- ratet war, konnte sie es nicht verkraften, sich nicht mehr in den Huldigungen ihrer zahlreichen Anbeter sonnen zu können. Des- halb versuchte sie, die Aufmerksamkeit ihrer Familie auf sich zu ziehen, indem sie sich in eingebildete Krankheiten flüchtete.
Papas Liebe, vergällt durch Mamas unaufhörliches Nörgeln und Jammern und durch die Art, wie sie ihre beiden jüngeren Kinder vernachlässigte, hatte sich in Duldsamkeit verwandelt, dann in Gleichgültigkeit und schließlich in Abneigung. Er hatte seine ganze Energie darauf verwandt, aus Ashley Grove die größte Plantage in Virginia zu machen.
„War sie eine gute Mutter?“ fragte Stephen.
Meg stieß die Nadel heftig in den Stoff. „Quentin war der ein- zige von uns, um den meine Mutter sich kümmerte. Vielleicht wäre es besser für ihn gewesen, wenn sie ihn genauso ignoriert hätte wie Josh und mich, anstatt ihn zu verhätscheln und zu ver- wöhnen. Quentin lernte sehr bald, daß er mit allem durchkam, wenn er sich hinter ihre Röcke steckte.“
„Wie ich hörte, waren Sie die eigentliche Herrin auf Ashley Grove.“
Sie nickte. „Ich habe die Leitung des Haushalts übernommen, als ich fünfzehn war. Ich glaube, ich war ziemlich frühreif.“ Au- ßerdem hatte sie die Begabung der
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