Marlene Suson 2
Menschenführung von ihrem Vater geerbt.
„Ich kann einfach nicht verstehen, wieso Ihr Vater die Kon- trolle über die Plantage dann in die Hände Ihrer Mutter legte“, sagte Stephen.
„Hat er ja gar nicht.“ Megs Nadel ruhte, und sie ließ das Hemd in den Schoß sinken. „In seinem Testament hinterließ Papa mir Ashley Grove mit der Auflage, für Mama und meine Brüder zu sorgen.“
„Wie, zum Teufel, ist es Ihrer Mutter dann gelungen, den Letzten Willen Ihres Vaters zu umgehen?“
„Als kein Zweifel mehr darüber bestand, daß Papa bald ster- ben würde, begann Charles meiner Mutter den Hof zu machen. Sie heiratete ihn einen Tag nach Papas Beerdigung.“
Meg ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. „Zwei Tage später ging sie mit Charles zum Gericht und ließ ihn zu unserem Vormund bestellen.“
„Teufel auch! Und als Ihr Vormund hatte Galloway die Kon- trolle über Ihr Erbe.“
„Ja.“ Meg versuchte, den dicken Kloß in ihrer Kehle hinunter- zuschlucken. „Und er hat es im Handumdrehen verschleudert. Ich mußte alles mit ansehen, aber ich hatte keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Galloway hat meine Mutter so behext, daß sie auf niemanden außer ihm hörte.“
„O Gott, Megan, wie leid mir das tut.“
Tränen stiegen ihr in die Augen. „Mir auch. Papa würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, was aus der Plantage ge- worden ist, die sein Lebenswerk war. Sie wurde von Hiram Flynt gekauft, einem Mann, den Papa verabscheute.“ Meg schauderte. „Sie können sich nicht vorstellen, was für ein niederträchtiger Mensch das ist.“
Stephens Gesicht war plötzlich ganz kantig vor unterdrückter Wut. „Ich kann es mir schon denken.“ Er sprang auf und ging erregt hin und her.
„Es wäre nie dazu gekommen, wenn ich ein Mann wäre“, sagte Meg leise. „Aber ich war ja nur eine schwache, unverheiratete Frau, die ein großes Vermögen geerbt hatte. Das Gericht befand, daß ich und mein Vermögen vor meiner eigenen Dummheit und Unfähigkeit geschützt werden müßten.“
„Der Richter kannte Sie wohl nicht gut, oder?“
„O doch, im Gegenteil. Er kannte mich nur zu gut.“ Megan ließ ihrem Zorn jetzt freien Lauf. „Aber jedermann weiß ja, daß eine Frau viel zu töricht ist, um sich in Geschäftsdingen zu be- haupten. Dabei fiel natürlich auch nicht ins Gewicht, daß ich seit Jahren den Haushalt führte und bei der Leitung der Plantage Papas rechte Hand war.“
„Konnten Sie die Entscheidung nicht anfechten?“
„Ich habe es versucht, doch das Gericht in Williamsburg ver- warf meine Eingabe. Der einzige Ausweg, der mir theoretisch blieb, wäre ein Gesuch an den König in London gewesen, doch ich kann mir nicht vorstellen, daß das etwas gebracht hätte.“
Stephen ging noch immer erregt hin und her. „Sie hätten diesen Reverend Burnaby heiraten sollen. Dann wäre Galloway wenigstens nicht mehr Ihr Vormund gewesen.“
„Niemals würde ich einen Mann aus einem solchen Grund hei- raten. Außerdem hätte es gar keinen Zweck gehabt. Der Richter, der Charles zu meinem Vormund bestellte, war der Ansicht, daß
mein Erbe vor Mitgiftjägern geschützt werden müßte. Wenn ich also ohne Charles’ Erlaubnis geheiratet hätte, hätte er trotz- dem weiter das Sagen auf der Plantage gehabt. Paradox, nicht wahr? Unter dem Vorwand, mein Vermögen vor Glücksrittern zu schützen, überließ der Richter es dem schlimmsten von allen.“
Schweigen senkte sich über sie, das nur von dem süßen Trillern einer Nachtigall unterbrochen wurde.
Nach einer Weile fragte Stephen: „Was meinten Sie damit, daß der Richter, der die Vormundschaft verfügte, Sie nur zu gut kannte? Wer war es denn?“
„Sein Name ist Nathan Baylis. Mit der Vormundschaft hat er sich an mir gerächt.“
„Wofür?“
„Als ich achtzehn war, hat er mir einen Heiratsantrag ge- macht.“
Stephens Augen wurden schmal. „Wie alt war er zu der Zeit?“
„In den Fünfzigern. Mama drängte mich, seinen Antrag an- zunehmen, doch zum Glück konnte Papa ihn ebenso wenig ausstehen wie ich und war auf meiner Seite.“
„Und damit war der Lustgreis abgeblitzt“, sagte Stephen zufrieden und setzte sich wieder auf den Schemel.
„Noch nicht ganz.“ Meg schüttelte sich innerlich, als sie sich an den Abend erinnerte, an dem Baylis sie allein in der Biblio- thek ihres Vaters überrascht hatte. „Er wollte sich mit meinem Nein nicht abfinden, und ich war gezwungen, ihm eine noch deutlichere Abfuhr zu
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