Marlene Suson 3
rasch zu ihnen. „Haben Sie die aufregende Neuigkeit schon gehört?“
„Nein, worum geht es denn?“ fragte Jerome.
„Sie haben diesen schurkischen Gentleman Jack geschnappt.“ Morgans Herzschlag setzte aus. „Wann und wo?“
„Heute morgen, in der Nähe von Tappenham. Und was am erstaunlichsten ist, Gentleman Jack ist eine Frauensperson!“
Morgan unterdrückte einen Fluch und tat überrascht und un- gläubig. „Sie müssen von Sinnen sein! Das ist doch gar nicht möglich. Eine Frau ist zu solchen Taten nie und nimmer fähig.“
„Wenn Sie mir nicht glauben, dann überzeugen Sie sich doch selbst. Sie brauchen nur zum Gefängnis von Tappenham zu reiten.“
„Vielleicht tun wir das sogar“, warf Jerome beiläufig hin.
„Dann sollten Sie es aber noch heute tun“, riet der beleibte Herr. „Der alte Galgen-Polk wird schon dafür sorgen, daß sie so schnell wie möglich baumelt. Wie ich höre, hat er bereits einen Boten nach London geschickt, um die Belohnung zu kassieren.“
„Squire Dudley Polk?“ fragte Jerome alarmiert.
„Ja, genau der.“
Ganz offensichtlich hielt Jerome das nicht für eine gute Nachricht. „Wie sieht die Frau denn aus?“ fragte er.
„Feuerrotes Haar hat sie. Und außerdem steckt sie in Männer- kleidern, das schamlose Ding. Behauptet, sie wäre die Tochter eines Earl oder so. Als ob ihr das jemand glauben würde!“
Als Morgan diese Details hörte, begrub er auch das letzte Fünkchen Hoffnung, daß die Frau im Gefängnis vielleicht doch nicht Daniela war. Er hatte das Gefühl, als schnürte der Strick des Henkers ihm das eigene Herz ab.
„Vielen Dank, daß Sie uns informiert haben“, sagte Jerome höflich. Dann stand er auf und warf ein paar Münzen auf den Tisch. „Wir müssen uns wieder auf den Weg machen.“
Während sie auf Tappenham zuritten, sagte Jerome: „Galgen- Polk ist der korrupteste Friedensrichter in ganz England.“
Morgan zog eine Grimasse. Es gab eine ganze Reihe unehren- hafter Friedensrichter im Land, die Bestechungsgelder von Ver- brechern nahmen und Unschuldige erpreßten, damit sie sich von falschen Anschuldigungen freikauften. „Wir müssen Daniela da herausholen, Jerome.“
„Du sagst es, aber wie stellen wir das am besten an?“
Morgan hatte eine Idee. Als sie Tappenham erreichten, war sein in aller Eile ausgetüftelter Plan zu Danielas Befreiung fertig.
Jerome war nicht gerade überzeugt, doch er erklärte sich bereit, mitzumachen.
Obwohl Daniela von ihren Fesseln behindert wurde, schritt sie rastlos in ihrer kleinen Zelle auf und ab. Angst und Sorge vor dem Schicksal, das drohend auf sie zukam, ließen sie nicht still- sitzen.
Es lag klar auf der Hand, daß dieser infame Friedensrichter nicht die leiseste Absicht hatte, ihren Bruder über ihre Gefan- gennahme zu informieren. Squire Polk gab keinen Deut für Recht und Ordnung. Ihn interessierte nur die große Belohnung, die auf Gentleman Jacks Kopf ausgesetzt war.
Der fette, übelriechende Friedensrichter hatte das Gefängnis vor ein paar Minuten verlassen, sehr zu ihrer und offensichtlich auch zu Lindseys Erleichterung.
In diesem Augenblick flog die Gefängnistür mit einem lau- ten Knall auf. Daniela blieb stehen und trat an die Gitterstäbe. Jerome in seiner ganzen herzoglichen Würde stolzierte herein, gefolgt von einem Mann, der ihn noch um eine Kleinigkeit überragte.
Morgan! Bei seinem Anblick begann Danielas Herz zu rasen. Er sah umwerfend aus in seiner eleganten Reitkleidung, die ihm auf den athletischen Leib geschneidert war.
„W ... wer sind Sie?“ stammelte Hendricks sichtlich beein- druckt von der Hochherrschaftlichkeit der Besucher.
Jerome maß den Konstabler mit einem eisigen Blick. „Ich bin der Duke of Westleigh, und dies ist mein Bruder Lord Morgan Parnell.“
Morgans Blick glitt suchend durch das Gefängnis und erhellte sich, als er Daniela in der Zelle entdeckte. Hastig kam er auf sie zu.
Gott segne ihn! Er hatte sie nicht im Stich gelassen, obwohl er zweifellos furchtbar wütend auf sie war, weil sie sich auf französisch empfohlen hatte.
Hinter ihm hörte sie Jerome sagen: „Wir sind gekommen, um zu erfahren, woher Sie die Dreistigkeit nehmen, die Verlobte mei- nes Bruders, Lady Daniela Winslow, Tochter des Earl of Crofton, hier festzuhalten.“
Man sah Hendricks und Lindsey deutlich an, wie verblüfft sie über diese Mitteilung waren. Nicht weniger verblüfft war Daniela. Die Verlobte meines Bruders!
Morgan blinzelte ihr zu und flüsterte so
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