Marlene Suson 3
Haustür auf. „Sag mir, was hier vorgeht!“
„Keine Zeit für lange Erklärungen“, beschied Morgan sie kurz angebunden. „Würdest du jetzt bitte die Tür freigeben?“
„Erst wenn du mir sagst, wohin ihr wollt.“
„Greenmont.“
Die Art, wie Morgan das Wort beinahe ausspie, jagte Da- niela einen Schauder über den Rücken. „Nimm mich mit. Du kannst ...“
„Nein, verdammt! Dies ist Männersache.“
Männersache! Danielas Augen schossen Blitze. „Ich kann die- ses Wort nicht mehr hören, Morgan Parnell! Immer, wenn ihr uns Frauen von wichtigen Dingen ausschließen wollt, heißt es Männersache. Ich rühre mich nicht von der Stelle, bis du bereit bist, mich mitzunehmen.“
Mit einem unterdrückten Fluch packte Morgan ihre Arme. Trotz ihres Zorns verspürte Daniela ein lustvolles Beben unter seiner Berührung.
„Es ist zum Verrücktwerden mit dir!“ fauchte er sie an. „Wenn ich will, daß du mit mir gehst, machst du Theater. Warum muß es immer nur nach deinem Kopf gehen?“ Morgan schob sie grob
zur Seite, riß die Tür auf und stapfte wütend hinaus. Stephen und George folgten ihm.
Als Daniela ihre Pferde davongaloppieren hörte, rannte sie hinaus, ohne sich um Charlottes Protest zu kümmern. Mit flie- genden Fingern band sie ihr eigenes Pferd los. Als sie sich in den Sattel schwang, schlug die kleine Pistole in ihrer Mantelta- sche gegen ihr Knie. Sie rieb sich die schmerzende Stelle, wäh- rend sie zu einem schmalen Weg ritt, der eine Abkürzung nach Greenmont war. Als sie ihn erreicht hatte, gab sie ihrem Pferd die Sporen.
Das Gesicht des Butlers strahlte vor Freude, als er Daniela die Tür öffnete. „Lady Daniela! Willkommen zu Haus. Wie schön, daß Sie wieder hier sind.“
Zu schade, daß Morgan die Gefühle des Butlers nicht teilte!
„Haben Sie schon gehört, daß Ihr Vater nach London gereist ist?“ fragte Dobbs.
„Nein, warum?“
Ein Schatten flog über sein Gesicht. „Ich fürchte, sein Ge- sundheitszustand hat sich verschlechtert.“
„O nein!“ rief Daniela bestürzt. Ihr ferner Vater liebte sie zwar nicht, doch sie liebte ihn.
„Er wollte in London einen renommierten Arzt konsultieren, der ihm vielleicht helfen kann.“
Daniela hörte draußen Hufschlag, und einen Augenblick spä- ter dröhnte der Türklopfer. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als der Butler zur Tür ging, um zu öffnen.
Morgan kam herein, gefolgt von Jerome, Stephen, George, Fer- ris und drei Männern, die Daniela nicht kannte. Alle wirkten so grimmig, daß Daniela nichts Gutes schwante. Sie drückte sich an die Wand, in der Hoffnung, daß Morgan sie nicht bemerken würde.
„Wo ist Lord Houghton?“ fragte Morgan Dobbs.
„In der Bibliothek. Sir Waldo Fletcher ist bei ihm.“
„Wir müssen sie sprechen.“ Morgan eilte an Dobbs vorbei und blieb wie angewurzelt stehen, als er Daniela entdeckte. Er fluchte wie ein Kutscher. „Was, zum Teufel, tust du hier?“ herrschte er sie an.
„Das hast du mich heute abend schon einmal gefragt.“
„Aber da hatte das Wort hier eine andere Bedeutung.“
„Ich bin hier zu Hause.“
„Warte im Salon auf mich“, befahl Morgan schroff.
Angriffslustig hob Daniela das Kinn. „Greenmont ist mein Zuhause. Du hast mir hier nichts zu befehlen.“
Morgan sah aus wie ein Mann, dessen Geduldsfaden jeden Augenblick reißen konnte. „Geh in den Salon, Daniela, oder ich schaffe dich selbst hinein und binde dich an einem Stuhl fest. Wie ich schon sagte, dies hier ist Männersache.“
Da Daniela fürchtete, er könnte seine Drohung wahr machen, verzog sie sich widerstrebend in den Salon.
Als sie durch den Türspalt hinauslugte, sah sie, daß Morgan mit langen Schritten zur Bibliothek ging. Er riß die Tür auf und stapfte hinein, gefolgt von den anderen Männern. Daniela wartete, bis alle in der Bibliothek waren, und schlich dann auf Zehenspitzen hinterher.
Sie hörte Basils Stimme durch die Tür. „Was fällt Ihnen ein, hier so hereinzuplatzen?“ Er gab sich offenbar Mühe, zornig zu klingen, doch man hörte deutlich das schlechte Gewissen heraus.
Daniela schlüpfte leise in die Bibliothek und verbarg sich in einer dunklen Ecke zwischen der Wand und einem Bücherregal, von wo aus sie alles beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
Ihr Bruder saß an seinem Schreibtisch, und Sir Waldo Fletcher lümmelte sich in einem Sessel.
„Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß wir Walter Briggs gefunden haben“, sagte Morgan.
Daniela war
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