Marlene Suson 3
reibungslos verläuft.“
„Ach ja, ich vergaß, daß Sie Ihrem Bruder ja den Haushalt führen.“ Morgan erhob sich und half ihr auf.
Gemeinsam gingen sie zum Haus zurück. Das einzige Geräusch in dem verlassenen Garten war das Knirschen ihrer Schritte auf dem Kiesweg.
Als Morgan zum Dinner herunterkam, waren außer Lady Eli- zabeth schon alle versammelt und warteten darauf, zu Tisch zu gehen.
Daniela stand am anderen Ende des Salons an der Wand. Morgan sah, daß Sir Waldo Fletcher – aufgeputzt in violettem Samt, als gehörte er zur königlichen Familie – auf sie zustrebte. Auch Daniela bemerkte den Baronet. Ihr abweisender Gesichts- ausdruck verriet, daß sie seine Absicht erkannt hatte. Offenbar wollte er sich ihr als Tischnachbar anbieten. Sie versuchte sich dem zu entziehen, indem sie unauffällig den Rückzug antrat.
Morgan konnte gut verstehen, daß sie keine Lust hatte, Flet- cher beim Dinner neben sich zu haben. Kein Wunder, denn mit Fletcher als Tischherrn mußte einem ja der Bissen im Halse steckenbleiben. Sie tat Morgan leid, und er trat rasch auf sie zu. „Darf ich Sie zu Tisch führen?“
„Oh ... ja, gern“, stammelte Daniela überrascht und erfreut. Sie errötete, und Morgan fand, daß ihr das ausgesprochen gut stand. „Das würde mich sehr freuen.“
Sir Waldo, nur noch ein paar Schritte entfernt, blieb abrupt stehen. Seine Augen schossen Blitze auf Morgan, der Daniela gerade den Arm reichte.
Basil eilte herbei, ein öliges Lächeln auf dem Gesicht, das al- lerdings seine Augen nicht erreichte. „Ich weiß, daß Sie Lady Elizabeths Gesellschaft vorziehen würden, Lord Morgan. Sie wird jeden Augenblick herunterkommen. Sir Waldo wird Sie von meiner Schwester befreien.“
Es war schon sonderbar, wie wütend Basils ungalante Be- merkung Morgan machte. Mit harter Stimme, die keine Wider- rede duldete, entgegnete er: „Die gesellschaftliche Stellung Ihrer Schwester erfordert es, daß ich sie zu Tisch führe, und deshalb werde ich es auch tun. Wenn Sie uns jetzt bitte vorbeilassen würden.“
Basils Lächeln verschwand. Ein dunkler Verdacht stieg in Morgan auf, und er streifte Danielas Bruder und Sir Waldo mit einem abschätzenden Blick.
Lady Elizabeth, strahlend schön wie immer, hatte just diesen Augenblick für ihren verspäteten Auftritt gewählt. Sie wollte schon auf Morgan zusteuern, als sie sah, daß er Danielas Arm genommen hatte. Wie angewurzelt blieb sie stehen und wirkte ebenso verstimmt wie Basil und Sir Waldo.
Rasch trat Basil zu ihr und führte sie zu Tisch.
Daniela und Morgan folgten. Auf der Schwelle zum Speisezim- mer zögerte Daniela und sagte gepreßt: „Das war sehr freundlich von Ihnen, aber ich bin davon überzeugt, daß Sie Lady Elizabeths Gesellschaft wirklich der meinen vorziehen.“
Die Röte auf ihren Wangen hatte sich noch vertieft. Sie sah aus, als wäre sie bedeutend länger in der Sonne gewesen, als es einer Dame frommte. Es entging Morgan nicht, wie sehr die frische Farbe ihren makellosen Teint hervorhob. „Da irren Sie sich aber.“
„Das ist doch nicht Ihr Ernst“, stieß sie hervor. „Sie wollen nur höflich sein.“
„Bitte sagen Sie mir nicht, was ich will und denke. Dazu ken- nen Sie mich noch nicht gut genug.“ Morgan war fest entschlos- sen, sie sehr viel besser kennenzulernen, bevor er Greenmont wieder verließ. „Im übrigen, würden Sie Sir Waldo als Tischherrn vorziehen?“
„Gott behüte, nein! Er ist mir zuwider.“
„Na also. Deshalb habe ich Sie ja auch vor ihm gerettet.“ Doch Morgan war gar nicht so sicher, daß dies wirklich die ganze Wahrheit war. Er ertappte sich dabei, daß er sich auf Danielas Gesellschaft während des Dinners freute.
Als sie ins Speisezimmer gingen, wehte ihr Jasminduft zu ihm herüber, und er verspürte plötzlich das völlig unangebrachte Bedürfnis, sie zu küssen. Er unterdrückte es mannhaft.
Was er nicht unterdrücken konnte, war die peinliche Reaktion seines Körpers auf diesen verlockenden Gedanken. Was war nur los mit ihm? Daniela war nun gewiß nicht der Frauentyp, zu dem er sich normalerweise hingezogen fühlte.
So weit wie möglich von Basil entfernt, zog Morgan einen Stuhl für Daniela zurück und nahm neben ihr Platz. Auf seiner ande- ren Seite saß Basils Freund Martin Beard. Morgan hatte nichts für Beard übrig. Er war ein zügelloser Wüstling, Stammgast in einem der verkommensten Bordelle Londons, weil er dort die blutjungen Mädchen fand, nach denen er gierte.
Beard
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