Marlene Suson 3
Versuche, die Unterhaltung wieder aufleben zu lassen,
versandeten, und so wurde der Rest der Mahlzeit in gespanntem Schweigen eingenommen.
Als die Damen sich nach dem Dessert in den Salon zurückzo- gen, sagte Morgan: „Bitte entschuldigen Sie mich, meine Herren. Mir ist gerade eingefallen, daß ich noch etwas erledigen muß.“ Verdammt wollte er sein, wenn er unten blieb und es sich bei Port und Cognac mit Basil, Fletcher und Beard wohl sein ließ! Diese Brüder schlugen ihm auf den Magen. Zu den Damen zog es ihn ebenfalls nicht, da Daniela nicht mehr anwesend war.
Sowohl Basil als auch Fletcher wirkten erleichtert über Mor- gans Abgang. Morgan verließ den Raum und traf draußen in der Halle auf Charlotte Fleming. „Lord Morgan, ich möchte mich bei Ihnen bedanken, weil Sie Basil wegen seines abscheulichen Be- nehmens zur Ordnung gerufen haben. Es ist kaum auszuhalten, wie er sich Daniela gegenüber aufführt.“
„Weshalb tut er das? Benimmt er sich seinen anderen Schwe- stern gegenüber genauso?“
„Nein, das macht er nur mit Daniela.“ Charlotte preßte die Lippen zusammen. „Ihre Schwestern folgten Basils schlechtem Beispiel und machten sich auch dauernd über sie lustig.“
„Haben ihre Eltern denn nichts dagegen unternommen?“ fragte Morgan bestürzt.
„Ihre Mutter starb bei Danielas Geburt. Ihr Vater hat sich nicht sonderlich um seine Kinder gekümmert, und um Daniela über- haupt nicht. Ich glaube, sie hat nur deshalb so gut reiten und schießen gelernt, um seine Anerkennung zu gewinnen. Kommen Sie mit in den Salon?“
„Nein, ich gehe hinauf.“
Charlotte schmunzelte. „Da wird Lady Elizabeth aber sehr enttäuscht sein.“
Es überraschte Morgan selbst, daß ihm das ziemlich gleich- gültig war. Er durchquerte die Halle und ging die Treppe hinauf zu seinem Zimmer.
Als er die Tür öffnete, erlosch im selben Augenblick eine schwache Lichtquelle, und der Raum lag wieder völlig im Dunkeln.
Morgan erstarrte. Teufel auch, jemand war in sein Zimmer eingedrungen und hatte gerade eine Kerze ausgeblasen.
Seine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit ge- wöhnt, und er konnte nichts erkennen. Um sicherzugehen, daß der Eindringling sich nicht hinter der Tür verbarg, stieß
er sie mit solcher Wucht auf, daß sie hart an die Wand schlug.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß dort niemand war, betrat er rasch das Zimmer, verschloß die Tür hinter sich, zog den Schlüssel aus dem Schloß und steckte ihn in die Hosen- tasche. Nun blieb als Fluchtweg nur noch das Fenster übrig, das allerdings ziemlich hoch über dem Boden lag.
Morgans Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit, doch er konnte den Eindringling noch immer nicht entdecken. Offenbar versteckte er sich irgendwo.
Aber wo?
Morgan ließ den Blick über die Umrisse der Möbel gleiten. Höchstwahrscheinlich hatte sein heimlicher Gast sich in dem massiven Eichenschrank versteckt, der zwischen dem Fenster und dem Kopfende des Bettes stand. Es gab sonst kein Mö- belstück im Raum, das groß genug war, um einen Menschen aufzunehmen.
Vorsichtig schlich Morgan durchs Zimmer. Als er an einer Kommode vorbeikam, die am Fußende des Bettes stand, stieß er mit dem Knie dagegen. Er schaute hinab und entdeckte im Halbdunkel die Umrisse der Schublade. Sie war herausgezogen und durchwühlt worden. Ohne sich weiter darum zu kümmern, schlich er weiter bis zu dem großen Schrank.
Mit einem Ruck riß er die beiden Schranktüren auf und rech- nete damit, daß der Eindringling herausspringen und sich auf ihn stürzen würde.
Nichts geschah.
Morgan runzelte die Stirn. Dann spürte er, mehr als er es hörte, eine Bewegung in der Nähe des Fensters. Er fuhr herum und sah eine schattenhafte Gestalt hinter dem Vorhang hervorspringen und zur Tür schießen. Blitzschnell griff er zu, und seine Arme schlossen sich um eine schlanke Person, die sich augenblicklich in eine um sich schlagende, kratzende Wildkatze verwandelte.
Die Wucht des Angriffs überraschte ihn. Er verlor das Gleich- gewicht, ohne jedoch seinen Gegner loszulassen. Zusammen tau- melten sie ein paar Schritte zurück und fielen dann quer über das Bett, wobei Morgan oben zu liegen kam.
Sein ungebetener Gast wand sich stumm unter dem Gewicht seines Körpers. Es versetzte Morgan einen Schock, als er fest- stellte, daß der Körper unter ihm zweifellos weiblich war und einen unverkennbaren Jasminduft ausströmte.
„Daniela!“ flüsterte er. Er hätte es sich
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