Marlene Suson 3
Annäherung nervös auf.
„Schon gut, Black Ben“, murmelte der Straßenräuber besänf- tigend. „Ich bin’s doch.“ Das große Pferd beruhigte sich sofort und schnupperte an seinem Herrn.
Black Bens Reaktion bewies Daniela, daß der Fremde tat- sächlich Gentleman Jack sein mußte. Trotzdem kämpften noch immer Neugier und Bangigkeit in ihrem Innern. War es richtig, dem Mann zu folgen?
Die Neugier siegte, wie es fast immer bei Daniela der Fall war. Er war ihr Held, und sie wollte sein Gesicht ohne die Maske sehen.
Sah er wirklich so gut aus wie Lord Morgan? Schäm dich,
Daniela Winslow! Wie kannst du nur jetzt an diesen Frauen- helden denken, der charakterlich so weit unter Gentleman Jack steht!
Sie saßen auf und ritten aus dem Wald hinaus. Daniela folgte dem Straßenräuber über einen verwilderten, kaum sichtbaren Weg, der zu einer kleinen Hütte führte. Es war die Behausung, in der Denny Doof gelebt hatte, bevor ihr Vater ihn von seinem Land jagte. Seit damals stand sie leer.
Zumindest hatte Daniela das angenommen. Jetzt jedoch stellte sie verblüfft fest, daß drinnen Licht brannte. „Da muß jemand sein.“
Er schüttelte den Kopf. „Ist nur meine Laterne.“
Sie saßen ab, und Daniela sagte: „Es wundert mich, daß Sie sich hier in Warwickshire so gut auskennen.“
„Ich sorge immer dafür, daß ich die Gegend wie meine Westentasche kenne. Dachte mir, hier sind wir gut aufgehoben.“
Sie betraten die Hütte, die nur aus einem einzigen Raum bestand. Daniela fiel auf, daß jemand hier erst vor kurzem saubergemacht haben mußte.
Die Einrichtung war äußerst spartanisch. Sie bestand aus ei- nem primitiven Tisch mit einer brennenden Laterne darauf, un- ter den ein dreibeiniger Hocker geschoben war. In einer Ecke stand ein Bett mit einem kleinen Tischchen daneben.
Gentleman Jack legte den Arm um Daniela und zog sie an sich. Sie spürte, wie eine seltsame Erregung in ihr aufstieg.
„Sitzen kann man hier nur auf dem Bett.“ Mit sanfter Gewalt schob Gentleman Jack sie in die Schlaf ecke. Als sie neben dem Bett standen, setzte er sich und zog Daniela mit sich.
„Und nun, meine Schöne, sagst du mir, wie du heißt.“
„Daniela Winslow.“ Der Straßenräuber hatte noch immer den Arm um sie gelegt. Sie spürte die Wärme seines Körpers und hatte das eigenartige Gefühl, als griffe diese Wärme auf sie über. „Vielleicht sollten Sie mich jetzt loslassen.“
„Warum? Gibt’s ‘nen besseren Weg, um ... gute Freunde zu werden? Du willst doch, daß wir Freunde werden, oder? Im übrigen ist es so auch wärmer.“
„Eben“, murmelte Daniela, der es entschieden zu warm wurde.
„Das kommt nur davon, daß du noch immer den Mantel an- hast.“ Er nahm den Arm von ihren Schultern. Mit geschickten Fingern öffnete er ihren schwarzen Mantel, streifte ihn ab und
warf ihn beiseite. Dann nahm er ihr den Hut ab und ließ ihn dem Mantel folgen.
„Und jetzt erzähl mir mal, was für’n Ärger du mir inzwischen als ,Gentleman Jack’ eingebrockt hast. Was für Untaten habe ich mittlerweile auf dem Kerbholz?“
„Oh!“ Erschrocken riß Daniela die Augen auf. „Daran habe ich gar nicht gedacht.“ Betreten sah sie ihn an. „Es tut mir leid, wirklich. Ich wollte Ihnen keinen Ärger machen.“
„Zu spät“, sagte er mißmutig. „Nächstens denkst du mal über die Folgen nach, bevor du dich in wilde Abenteuer stürzt.“
Sein Tadel traf Daniela hart, war er doch der einzige Mann auf der Welt, dessen Respekt und Anerkennung sie sich immer gewünscht hatte.
Nun ja, vielleicht nicht der einzige Mann. Aber was der an- dere – Lord Morgan – über sie dachte, wußte sie ja schon. „Bitte verzeih mir, Gentleman Jack“, flüsterte sie und verfiel spontan ebenfalls in das vertrauliche Du.
„Mal sehen. Aber erst beichtest du, was du in meinem Namen alles angestellt hast. Hab keine Lust, deinetwegen am Galgen zu baumeln.“
„O mein Gott!“ schrie Daniela zu Tode erschrocken auf. „Wenn es soweit käme, würde ich mich sofort stellen.“
„Und für nichts und wieder nichts den Löffel abgeben?“
„Ich nehme an, du meinst damit den Galgen?“ Danielas Stimme zitterte vor Angst und Entschlossenheit. „Ich würde niemals zulassen, daß man dich meinetwegen hinrichtet.“
„Wenn sie mich erwischen, haben sie sowieso Grund genug, mich baumeln zu lassen. Da kann ich genauso gut deine Schand- taten gleich mit abbüßen. Du brauchst dir also meinetwegen kein Bein auszureißen.“ Er
Weitere Kostenlose Bücher