Marlene Suson 3
du weiter meine Rolle spielst und meinen guten Ruf ruinierst.“
„Aber das tue ich doch gar nicht!“ Es schmerzte Daniela, daß er so etwas von ihr dachte. „Ich weiß, daß Sie nur die reichen Geldsäcke berauben und die Beute unter denen verteilen, die von ihnen geknechtet werden. Ich schwöre, daß ich dasselbe getan habe.“
„Ach ja?“
„Ja!“ Ihre Stimme wurde sanft. „Oh, ich kann es gar nicht glauben, daß Sie wirklich hier sind. Ich habe davon geträumt, daß Sie eines Tages kommen, und wir ...“ Daniela brach ab. Es war ganz undenkbar, daß sie ihm von ihren Wunschträumen erzählte. Daß sie gehofft hatte, er würde sofort die verwandte Seele in ihr erkennen und sie mit sich fortnehmen.
Doch nun, da er vor ihr stand, war sie gar nicht mehr so si- cher, daß sie das wollte. Es begannen sich nämlich leise Zweifel in ihr zu regen, ob sie tatsächlich mit diesem rauhen, barschen Mann gehen wollte.
„Daß ich eines Tages komme, und wir ... was?“ hakte er nach.
„Und ... wir ... Freunde werden.“
„Hab nichts dagegen.“ Das Aufblitzen in seinen Augen erin- nerte Daniela wieder an Lord Morgan. „Nichts ist mir lieber als eine freundliche Frau.“
Sein Ton störte sie irgendwie. „Machen Sie sich über mich lustig?“
„Wo denkst du hin? Ich weiß ein Plätzchen hier in der Nähe, wo wir ... hm ... Freunde werden können.“
„Zuerst müssen wir aber Sir Waldo Fletcher überfallen.“
„Den Teufel werden wir!“
Seine heftige Reaktion überraschte sie. „Warum nicht?“
Als Gentleman Jack nicht antwortete, fiel ihr ein, was Lord Morgan ihr erzählt hatte. „Ich habe gehört, Sir Waldo hätte in Yorkshire auf Sie geschossen. Ist das wirklich wahr?“
„Stimmt“, brummte er mißmutig. „Woher weißt du das?“
Ohne auf seine Frage einzugehen, fuhr Daniela fort: „Ich habe auch gehört, daß die Herzogin von Westleigh Ihr Leben gerettet hat.“
„Stimmt, hat sie.“
Sowohl seine Stimme als auch der Ausdruck seiner Augen wurde weicher, als er von ihr sprach, und Danielas Herz sank. Gentleman Jack liebt diese Überfrau ebenso wie Lord Morgan.
Mit schwankender Stimme fragte sie: „Warum wollen Sie mir nicht dabei helfen, Sir Waldo auszurauben? Haben Sie Angst vor ihm, weil er auf Sie geschossen hat?“
Zorn flammte in Gentleman Jacks Augen auf. „Himmel nein! Aber ich will nicht, daß es dir an den Kragen geht. Dem Kerl ist nicht zu trauen. Dieser feige Bastard hat gewinselt wie ein Köter, als ich ihn ausgeraubt habe. Und dann, als ich wegritt und ihm den Rücken zukehrte, hat er eine verborgene Pistole hervorgeholt und auf mich geschossen.“
„Er hat Sie in den Rücken geschossen?“
„Versucht hat er’s, aber nicht mal das hat er hingekriegt. Hat lediglich einen Baum getroffen. Mein Pech, daß die Ku- gel abprallte und mir ins Bein fuhr. Die Wunde hat sich dann entzündet.“
Für einen Augenblick hatte sich die Redeweise des Straßen- räubers beinahe gepflegt angehört, doch sofort zerstörte er die- sen Eindruck wieder, als er erneut in seinen schlampigen Jargon
verfiel. „Jetzt weißt du, warum du dich mit so was wie dem nicht einlassen sollst, Mädchen.“
Stirnrunzelnd sah Daniela ihn an. „Haben Sie mit der Straßenräuberei aufgehört, weil Sir Waldo auf Sie geschossen hat?“
„Ach, woher denn! Hab ‘nen Handel mit meinem Bruder ge- macht. Mußte ihm versprechen aufzuhören, wenn er tut, was ich will.“
Daniela stieß einen erleichterten Seufzer aus. Sie hatte ja gleich gewußt, daß Gentleman Jack sich nicht von einer läppi- schen Schußwunde ins Bockshorn jagen ließ. „Dann nehme ich an, er tat, was Sie von ihm wollten.“
„Hat er.“
„Und was war das?“
„Kann ich dir nicht verraten. Ist ‘ne Sache zwischen ihm und mir.“ Gentleman Jack bückte sich und hob Danielas Hut auf. Er reichte ihn ihr und sagte: „Komm mit. Wir wollen Black Ben holen. Bring dein Pferd mit.“
Daniela war ganz aufgeregt, weil sie nun Gentleman Jacks berühmtes Pferd sehen sollte. Sie stülpte sich den Hut auf den Kopf, ergriff die Zügel ihres Pferdes und folgte Gentleman Jack durch den Wald.
„Wie heißt dein Pferd eigentlich?“ fragte er.
„Black Jack. Ich habe es nach Ihnen benannt.“
„Ach was, wirklich?“ Er schien erfreut. „Soll das’n Kompli- ment sein?“
Bevor Daniela antworten konnte, entdeckte sie ein Pferd, das geschickt im Schatten der Bäume verborgen war. Es war ebenso schwarz wie ihr eigenes und wieherte bei ihrer
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