Marlene Suson 3
sie die Falltür öffneten, um das auf Green- mont gestohlene Geld zu verstecken. „Was für einen Schatz? Münzen?“
Der alte Mann hob die krummen Schultern. „Weiß nich, muß aber’n Haufen gewesen sein. War’n großer Sack und so schwer, daß se’n kaum tragen konnten.“
„Sind die Geister mit dem Schatz plötzlich im Boden ver- schwunden?“
„Nee, ha’m ne Weile gegraben, ‘n tiefes Loch, daß der Schatz reinpaßt.“
Morgan zog die Brauen zusammen. Das ergab keinen Sinn. Wieso hatten sie den Schatz nicht unter der Falltür versteckt? „Würden Sie mir zeigen, wo die Geister gegraben haben?“
Dennys runzliges Gesicht verzerrte sich vor Angst, und er packte die Mistgabel fester. „Nee! Die bring’ mich um!“
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Der Geist vom alten Lord hat’s gesagt. Und das wird er auch tun. Konnte mich nie leiden. Hat mich von sei’m Land gejagt, bevor er ins Gras biß.“
Offenbar sprach Denny von Danielas Vater. Morgan erinnerte sich an Noahs Verdacht, daß Denny die Kutschenachse angesägt haben könnte. War Denny der irrigen Meinung, daß der Earl den Unfall nicht überlebt hätte? „Wieso glauben Sie, daß der alte Lord tot ist, Mr. Denny?“
„Hab ihn nie mehr gesehen. Sonst isser immer hier rumgerit- ten.“
Natürlich hatte er Danielas Vater nicht mehr durch den Wald reiten sehen. Der Earl war seit dem Unfall gelähmt und nach Bath gegangen. Er war zwar noch am Leben, aber gewiß nicht in der Lage, tiefe Löcher im Fichtenwald zu graben. „Wieso glauben Sie, daß Sie den Geist des alten Earl gesehen haben?“
„Hab ihn gleich erkannt. Werd diesen Bastard mein Lebtag nich vergessen.“
Könnte einer der Verschwörer ein Verwandter sein und dem Earl ähnlich sehen? Basil kam nicht in Frage, denn er ähnelte seinem hochgewachsenen Vater überhaupt nicht. Doch was war
mit James, dem zweiten Sohn? Hatte er vielleicht heimlich Ka- nada und die verhaßte Armee verlassen und war nach England zurückgekehrt? „Wer war der zweite Geist? Haben Sie den auch erkannt?“
Denny verneinte. „Hatte ‘ne schwarze Haube überm Kopf.“
Demnach wollte einer der Männer nicht erkannt werden. Das mußte Walter Briggs gewesen sein. Aber warum hatte der an- dere, der Danielas Vater offenbar ähnlich sah, nicht die gleichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen? Auch das ergab keinen Sinn. Es sei denn, der Mann hätte es absichtlich darauf angelegt, für den Earl gehalten zu werden. „Waren die beiden Geister gleich groß?“
„Genau. War kein Unterschied.“
Morgan hätte zu gern gewußt, wie groß Briggs war. Er zog eine gefüllte Börse aus der Tasche. „Dies gehört Ihnen, Mr. Denny, wenn Sie mir zeigen, wo die Geister ihren Schatz vergraben haben.“
„Nee!“ kreischte Denny angstschlotternd. „Die Geister ma- chen mich alle!“
Morgan versuchte noch mehrere Minuten, den Mann umzu- stimmen, doch vergeblich. Der Alte blieb hart. Schließlich gab Morgan auf und ging zurück zu Ferris, der bei den Pferden wartete.
Nun blieb Morgan nicht mehr viel Zeit auf Greenmont, um Daniela das Versprechen abzuringen, ihn nicht zu verraten.
Es duftete nach frisch gemähtem Gras, als Daniela durch eine Seitentür ins Freie schlüpfte. Dobbs hatte ihr gerade gesagt, daß Lord Morgan nach ihr suchte, aber sie wollte nicht mit ihm spre- chen. Sie hatte ihm noch nicht verziehen, daß er sie gestern so getäuscht hatte. Er hatte sich nur deshalb als Gentleman Jack verkleidet, um ihren Raubüberfall auf Sir Waldo zu vereiteln und sie in sein Bett zu locken.
Als Daniela den Weg einschlug, der in den vorderen Garten führte, sah sie drei Männer, die den Rasen mähten.
Genaugenommen war nur einer von ihnen ein Mann: Taylor, der schon seit etlichen Jahren als Gärtner auf Greenmont ar- beitete. Der zweite war ein Halbwüchsiger von vielleicht fünf- zehn Jahren. Die ungeschickte Art, wie er die Sense handhabte, verriet, daß er nicht an diese Arbeit gewöhnt war.
Als Daniela den dritten erkannte, ballte sie die Fäuste vor Zorn. Freddie Watkins war gerade mal elf und zudem klein für
sein Alter. Einem solchen Kind durfte man doch nicht eine so ge- fährliche Arbeit auftragen! Aber Basil kannte da offenbar keine Skrupel.
Daniela ging den Weg zwischen den Dreiecksbeeten mit den weißen und blauen Stiefmütterchen entlang. Sie wollte zu der Steinbank hinter der Buchsbaumhecke.
Als sie an der Sonnenuhr vorbeikam, hörte sie hinter sich ei- lige Schritte. Sie drehte sich um, als Morgan
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