Marlene Suson 3
Arbeit.
Freddie schaute zu Daniela auf. „Muß ... ich ... sterben?“ stammelte er mit zitternder Stimme.
„Aber woher denn!“ schalt sie ihn liebevoll. „Das kommt alles wieder in Ordnung, aber du mußt still liegenbleiben und dich entspannen.“
Ihre Worte schienen das Kind zu beruhigen.
Wieder hob sie ihr Unterkleid, wobei Morgan einen Blick auf eine schmale Fessel und eine wohlgeformte Wade erhaschte, und riß einen weiteren Streifen ab.
Wie sehr ihr Verhalten in diesem Notfall ihn an Rachel erin- nerte! Daniela handelte ebenso umsichtig, wie seine Schwägerin es in der gleichen Situation getan hätte.
Der etwa dreißigjährige Mann, der mit den beiden Jun- gen den Rasen gemäht hatte, fiel über den Burschen her, der wie erstarrt mit der blutigen Sense in der Hand dastand. Er schimpfte lautstark auf ihn ein, weil er so unachtsam gewesen sei.
„Das hab ich doch nicht gewollt“, verteidigte der Junge sich. „Die Lady hat mich erschreckt, und ... und ...“ Er unterlag in dem verzweifelten Kampf gegen die aufsteigenden Tränen, die ihm nun über die Wangen herabrollten.
„Es war ein Unfall, Taylor“, wies Daniela den Mann scharf zu- recht. „Sehen Sie denn nicht, wie elend dem armen Kerl zumute ist?“
Sie schaute auf in das verweinte Gesicht des Jungen. „Du kannst mir helfen, wenn du rasch ins Haus gehst und einem der Diener Bescheid gibst. Ich brauche Seife, eine Schüssel mit heißem Wasser, saubere Leinwand und Nadel und Zwirn.“
Man sah dem Jungen an, wie froh er war, helfen zu können. Er ließ die blutbefleckte Sense ins Gras fallen und rannte zum Haus.
Mit großer Erleichterung stellte Morgan fest, daß die Blutung
allmählich nachließ. Nach weiteren zwei Minuten hörte sie ganz auf, und er ließ das Bein des Jungen los.
Im selben Augenblick hörte er ein paar Schritte entfernt ein leises Stöhnen. Lady Elizabeth ... Morgan hatte sie ganz ver- gessen.
„Ich glaube, sie kommt zu sich.“ Daniela schaute zu Taylor auf. „Tragen Sie den Jungen zum Haus. Ich werde mich dort um seine Wunde kümmern.“
„Ich nehme ihn schon.“ Morgan schickte sich an, die Arme unter Freddie zu schieben.
Daniela legte ihm die Hand auf die Schulter und hielt ihn zu- rück. „Geh lieber zu Lady Elizabeth. Sie wird Hilfe brauchen, wenn sie zu sich kommt.“
Es scherte ihn nicht im mindesten, was Elizabeth brauchte, doch der bittende Blick in Danielas Augen stimmte ihn um. Wäh- rend Morgan sich neben Elizabeth ins Gras kniete, folgte Taylor mit dem Jungen auf den Armen Daniela zum Haus.
Widerstrebend riß Morgan den Blick von der schlanken Ge- stalt los, die energisch auf das Haus zuschritt. Er verstand die magnetische Anziehungskraft nicht, die Daniela auf ihn ausübte. Sie war doch nun wirklich nicht die schöne, grazile, elegante Frau, von der er immer geträumt hatte.
Die Frau, die diesem Idealbild noch am nächsten kam, lag leise stöhnend vor ihm im Gras. Er schaute hinab auf Lady Eliza- beth, die gerade ihre veilchenblauen Augen aufschlug und ihn verständnislos ansah.
„Sie sind ohnmächtig geworden.“ Nur mit Mühe konnte Mor- gan die Ungeduld in seiner Stimme unterdrücken. Er reichte ihr die Hand. „Glauben Sie, Sie können sich jetzt aufsetzen?“
Er half ihr in eine sitzende Position. „Wieso liege ich im Gras?“ fragte sie entgeistert.
„Das sagte ich doch schon. Sie sind in Ohnmacht gefallen.“
„Jetzt ist sicher mein Kleid völlig ruiniert“, jammerte sie. „Helfen Sie mir hoch.“
Er tat es, und sie begann an ihrem Rock herumzureiben. „Wieso bin ich denn umgekippt? Oh, jetzt erinnere ich mich.“ Sie schauderte. „All das Blut! Ich kann einfach kein Blut sehen.“
Zum Glück war Daniela nicht so zimperlich, sonst wäre der arme Freddie verblutet. Morgan bezwang seinen Unmut und reichte Elizabeth den Arm. „Ich bringe Sie ins Haus.“
Auf dem Weg zum Haus stützte Elizabeth sich schwer auf ihn,
vermutlich schwerer, als notwendig gewesen wäre. Morgan sah Daniela neben Freddie knien, der auf einer Bank neben einem Seiteneingang saß.
Als Morgan sie erreichte, bemerkte er, daß das Seifenwasser in der Schüssel neben ihr sich rot verfärbt hatte. Daniela beugte sich über Freddies Bein und nähte vorsichtig die Wundränder zusammen. Der Kleine hatte die Augen fest zugekniffen, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
Während Daniela mit der Wunde beschäftigt war, sprach sie mit leiser, begütigender Stimme auf den Jungen ein. Sie sprach zu leise, als daß
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