Marlene Suson 3
daß ihr die Tränen in die Augen stiegen.
„Hat ... hat er dir noch mehr angetan?“
Daniela schluckte. „Nein, aber das ist nicht sein Verdienst.“
Morgans Mundwinkel zuckten. „Mir scheint, du hast es ihm tüchtig gegeben, meine tapfere Räuber-Lady.“ Zärtlich strich er mit den Fingerspitzen über ihre Wange.
Basils unverdienten Anschuldigungen konnte Daniela zwar mit stolz erhobenem Haupt entgegentreten, aber Morgans Zärt- lichkeit war zuviel für sie. Ihre mühsam bewahrte Fassung brach zusammen.
Sie konnte die Tränenflut nicht mehr zurückhalten. Morgan schlang die Arme um sie. Er streichelte ihr Haar und drückte sie tröstend an sich.
Obwohl Daniela sich in seinen Armen beschützt und geborgen fühlte, schluchzte sie nur um so heftiger. Ihr Körper wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
„Ja, laß es heraus, Daniela. Wein dich einmal richtig aus.“ Morgans Stimme klang leise und begütigend und lullte sie ein wie ein Wiegenlied.
Als ihre Tränen endlich versiegten, zog er ein weißes Ta- schentuch hervor und wischte ihr behutsam über die nassen Wangen. Dann lächelte er sie so liebevoll an, daß ihr Herz schmolz.
„Ich muß morgen früh fort, Daniela, und ich sorge mich um dich, wenn du hierbleibst. Ich traue Fletcher nicht über den Weg. Ich habe dich schon gestern nacht gebeten, mit mir zu kommen, und jetzt wiederhole ich die Einladung. Ich würde mich viel
besser fühlen, wenn du Greenmont mit mir zusammen verlassen würdest.“
Stolz hob sie das Kinn. „Ich bin nicht bereit, deine Mätresse zu werden.“
„Ich verspreche feierlich, so etwas nicht von dir zu verlangen, aber ich bitte dich, mit mir zu kommen.“
„Wohin denn?“
„Nach Royal Elms. Bei Jerome und Rachel wärst du in Sicherheit.“
Rachel, Morgans Idealfrau! So sehr Daniela auch wünschte, Greenmont zu entkommen, einer solchen Folter würde sie sich nicht unterziehen. Es wäre unerträglich, den Mann, den sie liebte, mit der Frau, die er liebte, tagtäglich vor Augen zu haben.
Denn Daniela wußte nun mit unumstößlicher Gewißheit, daß sie Morgan liebte. „Nein, ich kann mich deinem Bruder nicht aufdrängen.“ Es war mehr als unwahrscheinlich, daß der stolze Duke of Westleigh sie als Gast willkommen heißen würde. „Ich bleibe hier. Sir Waldo wird keine Gelegenheit mehr haben, mich zu überraschen, denn ich werde auf der Hut sein.“
„Unterschätze ihn nicht. Denk immer daran, er hat auch versucht, mich von hinten zu erschießen.“
„Die Prügel, die er heute bezogen hat, wird er so schnell nicht vergessen.“ Und auch das nicht, was er von mir noch zu erwarten hat.
Morgan grinste so durchtrieben, daß er Daniela an einen fre- chen – und unwiderstehlichen – kleinen Jungen erinnerte. „Ich gestehe, daß ich es sehr genossen habe. Endlich hatte ich die Chance, diesem schleimigen Feigling eine Abreibung zu verpas- sen. Damit habe ich nicht nur dich gerächt, sondern auch meine eigene Rechnung beglichen.“
Er wurde wieder ernst. „Ich möchte dir deine Pistolen zurück- geben, damit du dich vor Fletcher schützen kannst. Aber du mußt mir versprechen, daß du nicht mehr als Gentleman Jack auftrittst, wenn ich fort bin.“ Er nahm ihre Hände und drückte sie. „Bitte, versprich mir das.“
Daniela überlegte blitzschnell und kam zu dem Schluß, daß sie dieses Versprechen zwar nicht sinngemäß, aber doch zumindest dem reinen Wortlaut nach geben konnte. „Ja, ich verspreche es. Wenn du mir meine Pistolen zurückgibst, werde ich nicht mehr als Gentleman Jack auftreten, wenn du fort bist.“
Obwohl sie sich strikt an dieses Versprechen halten würde,
meldete sich doch ihr Gewissen wegen des Plans, den sie gefaßt hatte. Aber sie mußte nun einmal ihre Pistolen wiederhaben, wenn sie an Fletcher Rache nehmen wollte.
„Habe ich dein Ehrenwort?“
„Ja.“ Die Stimme ihres Gewissens wurde lauter.
„Dann hole ich dir die Pistolen.“ Morgan wandte sich zur Tür, drehte sich dann jedoch noch einmal zu ihr um. Er hob ihr Kinn, und ihre Lippen fanden sich zu einem zärtlichen Kuß.
Daniela hoffte, daß er sie für das, was zu tun sie vorhatte, nicht hassen würde.
15. KAPITEL
Als Morgan mit einem leeren schwarzen Stoffbeutel die Hin- tertreppe hinunterlief, hörte er durch die nur angelehnte Tür Stimmen aus der Bibliothek. Er blieb stehen und horchte.
„Hier, trinken Sie noch einen Schluck Cognac, Waldo“, drängte Basil.
Dieses Drängens hätte es bei dem bereits angetrunkenen Ba-
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