Marlene Suson 3
noch fester zu. „In Wirklichkeit hast du es nur umgangen, und das weißt du auch ganz genau.“
„Laß mich los! Du tust mir weh.“
Morgan lockerte seinen Griff, gab sie jedoch nicht frei. „Ich sollte dich übers Knie legen.“
„Das würdest du nicht wagen!“
„Reiz mich nicht.“
„Laß mich los, oder ich schreie.“
„Und wie willst du deine interessante Kostümierung erklären, Lady Jack?“
Das hatte sie in der Aufregung total vergessen. „Zum Teufel mit dir!“ zischte sie in hilflosem Zorn.
„Du redest schon genauso wie ein Straßenräuber“, spöttelte Morgan.
Plötzlich verwandelte Daniela sich in eine Wildkatze. Sie kratzte und schlug um sich. Sie trat Morgan so fest vor das Schienbein, daß er aufstöhnte und sie beinahe losgelassen hätte. Sofort trat sie ihn auch vor das andere Schienbein.
„Du verflixte kleine Tigerin!“ stieß er zwischen zusammenge- bissenen Zähnen hervor. Dann packte er sie um die Mitte, hob sie hoch und trug sie durch die Tür, durch die Ferris mit Black
Ben den Stall verlassen hatte. Da Daniela die Zügel ihres Pfer- des nicht losgelassen hatte, trottete der Wallach ihnen brav nach draußen nach.
„Das ist die falsche Richtung, du Spinner“, fauchte Daniela wütend. „Das Haus ist auf der anderen Seite.“
„Keine Sorge, ich weiß, was ich tue.“ Neben Black Ben blieb er stehen. Er setzte Daniela ab und befahl Ferris: „Nimm die Pisto- len aus ihrem Gürtel, und paß auf, daß sie aus ihrer Reichweite bleiben.“
Nachdem Ferris das erledigt hatte, grollte Morgan: „Und jetzt hältst du dieses Früchtchen für einen Augenblick fest. Und paß bloß auf!“
Ferris schlang die Arme um sie, und Daniela kämpfte auch mit ihm wie eine Furie. Daraufhin zog er geistesgegenwärtig sei- nen Gürtel aus dem Hosenbund und band ihr die Handgelenke zusammen.
Morgan schwang sich in den Sattel. Dann bückte er sich hinab, hob Daniela hoch und legte sie bäuchlings quer vor sich auf das Pferd. Nun hing ihr Kopf auf der einen Seite, und ihre Füße baumelten auf der anderen Seite herab. Der schwarze Hut fiel ihr vom Kopf und gab ihre rote Mähne frei. Ihre Hüfte kam auf Morgans Oberschenkel zu liegen, und er hatte Mühe, das prompt in ihm aufsteigende Verlangen niederzuringen.
„Was soll das?“ keuchte sie.
„Glaubst du, ich wäre so dumm, dich ins Haus zurückzubrin- gen? Wenn ich es täte, würde es dir mit Sicherheit gelingen, dich früher oder später an den Galgen zu bringen.“ Dann wandte er sich an Ferris. „Gib mir ihren Hut, und binde ihr Pferd an meinem fest. Du folgst uns mit der Kutsche.“
„Uns?“ quietschte Daniela entsetzt. „Du kannst mich doch nicht einfach so entführen!“
„Und ob ich das kann.“
„Aber wenn du mich mitnimmst, wer hilft dann den Familien der Grubenarbeiter?“
„Wenn du am Galgen baumelst, bist du ihnen auch keine große Hilfe.“ Er zögerte einen Augenblick und brummte dann verdros- sen: „Und wenn ich auch nur halbwegs bei Trost wäre, würde ich dich deinem Schicksal überlassen.“
„Ich bitte darum!“
Doch das brachte er nicht fertig. Er redete sich ein, daß er Daniela nur mitnahm, um sie vor ihrer eigenen Tollkühnheit
und vor Fletcher und Basil zu retten. Er mißtraute den beiden Männern zutiefst. Wenn er erst einmal fort war, hatte Daniela niemanden mehr, der sie beschützen konnte.
Ein weiterer Vorteil war, daß er nun auch nicht mehr gezwun- gen war, das Versprechen zu brechen, das er Jerome gegeben hatte.
Ja, das waren die Gründe, weshalb er sie mitnahm ... ganz gewiß nicht aus Zuneigung zu diesem nervtötenden Frauenzim- mer, das sich obendrein ja auch jedem Mann an den Hals warf – außer ihm und Sir Waldo Fletcher.
„Bevor du losfährst, holst du noch mein Gepäck aus dem Haus“, trug Morgan dem Reitknecht auf. „Durch die Seitentür kommst du zu einer Hintertreppe. Die gehst du hinauf. Mein Zimmer ist das zweite auf der linken Seite. Paß auf, daß dich niemand sieht, und fahr los, sobald du alles eingepackt hast. Wenn du Greenmont ein paar Meilen hinter dir gelassen hast, hältst du bei einem Gasthaus und übernachtest dort.“
„Und was machen Sie?“
„Ich werde die Nacht durch reiten.“ Morgan schnalzte mit der Zunge, und Black Ben setzte sich in Bewegung. Daniela schrie vor Schmerz auf, als sie unsanft durchgerüttelt wurde. Morgan wartete absichtlich ein paar Minuten, bevor er sein Pferd zügelte. Er wollte Daniela nicht weh tun, aber er mußte sie zur Räson
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