Marlene Suson 3
Eigennutz wichtige Voraussetzun- gen sind, um die Menschen zur Arbeit zu motivieren, und ich bin da ganz seiner Meinung.“
Darin stimmte Daniela ihm zu.
Nach dem Dessert, das aus Erdbeeren mit Sahne bestand, blie- ben Jerome und Morgan nicht bei Cognac und Port im Speise- zimmer, wie Basil und seine Freunde es auf Greenmont zu tun pflegten, sondern sie begleiteten die Damen in den angrenzenden Salon.
Sie hatten kaum Platz genommen, als die Nanny mit den Kin- dern hereinkam. Der kleine Stephen rannte sofort zu seinem Va- ter. Die Kinderfrau trug Stephens kleine Schwester Serena auf dem Arm.
Rachel streckte die Arme nach ihrer Tochter aus. Sobald Se- rena auf Mamas Schoß saß, gluckste und strampelte sie vor Begeisterung. Die Nanny ging leise wieder hinaus.
„Will reiten, Papa“, bettelte Stephen und kletterte auf Jeromes Knie.
Jerome ließ seinen Sohn auf und ab hüpfen, als säße er auf einem galoppierenden Pferd.
„‘neller, Papa, ‘neller!“
Bereitwillig erhöhte Jerome das Tempo, während seine Frau mit zärtlicher Stimme auf ihre kleine Tochter einsprach. Sere- nas Beitrag zu dieser einseitigen Unterhaltung beschränkte sich auf ein gelegentliches „ma-ma“ und ein paar unverständliche Silben. Das Lächeln des Babys war ebenso bezaubernd wie das seiner Mutter.
Als Stephen des Reitens überdrüssig wurde, rutschte er vom Schoß seines Vaters und lief hinüber zu einer Gitarre, die an der Wand lehnte, „‘pielen, Papa!“
Jerome erhob sich und holte die Gitarre. Als er sich wieder ge- setzt hatte, war auf seinem Schoß kein Platz mehr für Stephen, und der Kleine beschlagnahmte die Knie seines Onkels. Die Art, wie Morgan liebevoll die Arme um seinen Neffen schlang, zeigte Daniela, wie gern er das Kind bei sich hatte.
Die unübersehbare Liebe und Zuneigung in dieser Familie waren wie eine Offenbarung für Daniela. Sie hatte zu Hause nie etwas Ähnliches erlebt. Wie grundlegend die Parnells sich doch von den Winslows unterschieden.
Und wie sehr sie sie beneidete!
Der Herzog stimmte eine Ballade auf seiner Gitarre an und
begann zu singen. Rachel und Morgan fielen ein. Nach einem kurzen Zögern sang auch Daniela mit. Ihre Stimmen paßten sehr harmonisch zusammen. Daniela liebte Musik, ganz im Gegen- satz zu ihrem Vater und Basil. Deshalb war auf Greenmont so gut wie nie musiziert worden.
Der ersten Ballade ließ Jerome noch etliche weitere folgen. Nach einer Weile schlief Serena in den Armen ihrer Mutter ein. Obwohl Stephen den improvisierten Liederabend offensichtlich genoß, begann er herzhaft zu gähnen und rieb sich die Augen.
Der Herzog legte die Gitarre beiseite. „Zeit fürs Bett, Stephen.“
Der kleine Junge wollte protestieren, doch sein Vater sagte fest: „Ich bringe dich hinauf.“ Er wandte sich seiner Frau zu. „Soll ich Serena auch mitnehmen?“
Rachel schaute hinab auf das schlafende Kind in ihren Ar- men. „Nein. Wenn Lady Daniela uns entschuldigt, komme ich mit dir.“
Er nickte und umschloß seine Frau mit einem so liebevollen Blick, daß Danielas Herz warm wurde.
„Komm, laß mich Serena tragen. Du hast auf der Treppe mit deinen Röcken genug zu tun.“ Jerome nahm seine kleine Tochter auf den Arm. „Rachel und ich sind gleich wieder da.“
Er folgte seiner Frau, die mit Stephen an der Hand das Zimmer verließ.
Zum erstenmal seit ihrer Ankunft auf Royal Elms war Daniela mit Morgan allein. Er lächelte ihr träge zu. „Gefällt es dir bei meinem Bruder und seiner Frau?“
Daniela nickte. Viel mehr, als ich mir je hätte träumen lassen. „Würdest du mir deinen Bellers ausborgen?“
„Ja, natürlich.“ Morgan stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. „Komm mit. Wir können das Buch gleich holen.“
Als sie durch den weitläufigen Mittelteil des Herrenhauses gin- gen, stellte Daniela fest, daß das Gebäude von mehreren Seiten- flügeln flankiert wurde. In einen dieser Flügel bogen sie ein, und Morgan führte Daniela in einen Raum, dessen Wände zu beiden Seiten des Eingangs mit Bücherregalen aus Mahagoni bestückt waren. Durch zwei hohe Fenster schaute man hinaus in den Park.
Der Raum war im Vergleich zu einigen anderen, die Daniela auf Royal Elms gesehen hatte, verhältnismäßig klein, doch sehr behaglich möbliert mit großen gepolsterten Armsesseln und ei- nem schönen Mahagonischreibtisch. „Was für ein einladendes Zimmer!“
„Das finde ich auch. Hier vergrabe ich mich, wenn ich mich von der Welt zurückziehen will.“ Morgan ging an
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