Marlene Suson 3
lächelte er in sich hinein. „Nimm Platz, Morgan. Ich vermute, du bist ihr in Warwickshire begegnet.“
Morgan setzte sich seinem Bruder gegenüber. „Ja, sie ist Houghtons Schwester.“
Diese Antwort schien eine unerfreuliche Erinnerung in Jerome zu wecken, denn er runzelte die Stirn.
„Was ist los?“
„Ich erinnere mich jetzt an sie. Ich bin ihr vor ein paar Jah- ren in London begegnet. Sie war Gegenstand eines ...“, Jerome
wirkte beunruhigt, und er suchte offenbar nach dem richtigen Wort, „eines ... hm ... unschönen Skandals.“
Morgan hatte gehofft, sein Bruder hätte nicht davon gehört. Eine leichtfertige Frau würde Jerome auf jeden Fall ableh- nen.
„Wie ich hörte, war auch Gilfred Rigsby in diese Geschichte verwickelt.“ Jeromes Gesicht verzog sich vor Verachtung, als er den Namen aussprach.
„Ich gehe davon aus, daß du diesen Falschspieler ebenso verabscheust wie ich.“
„Demnach betrügt er auch beim Kartenspiel? Das überrascht mich nicht. Wer mit diesem infamen Lord Birkhall so eng be- freundet ist, muß aus dem gleichen Holz geschnitzt sein.“ Je- rome ballte die Fäuste. „Eine von Birkhalls abartigen Wetten hat mich um ein Haar Rachel gekostet. Wenn Lady Daniela sich von Rigsby verführen ließ, fürchte ich, daß sie keinen sonderlich guten Geschmack in bezug auf Männer hat. Und besonders klug kann sie dann auch nicht sein.“
„Aber sie war damals noch sehr jung, erst siebzehn.“ Es über- raschte Morgan selbst, mit welchem Eifer er sie verteidigte. „Und da ich nicht die Absicht habe, sie zu heiraten, brauchst du dir deswegen auch keine Gedanken zu machen.“
Jerome wirkte nicht überzeugt. „Ich glaube, hinter der Ge- schichte steckt mehr, als du mir bisher verraten hast.“
„Ich traue auch ihrem windigen Bruder Basil nicht, und Flet- cher noch weniger.“ Morgan berichtete Jerome von Fletchers Versuch, Daniela Gewalt anzutun, und von der anschließenden Unterhaltung zwischen Basil und dem Grubenbesitzer.
„Ich verstehe.“ Nachdenklich blickte Jerome vor sich hin. „Weshalb trägst du diese Kleider?“
Morgan sah an sich hinab. Er liebte und respektierte sei- nen Bruder zu sehr, um ihn zu belügen. „Ich war nahe daran, mein Versprechen dir gegenüber zu brechen. Um ein Haar hätte ich Gentleman Jack noch einmal aus der Versenkung geholt. Ich war allerdings davon überzeugt, daß du mich von mei- nem Versprechen entbunden hättest, wenn ich dir die Gründe erkläre.“
Prüfend musterte Jerome seinen Bruder. „Das würde ich lieber selbst entscheiden.“
„Nachdem Fletcher über Daniela hergefallen war, fürchtete ich, er könnte es noch einmal versuchen, wenn ich nicht mehr
in Reichweite bin, um sie zu beschützen. Ich wollte ihm eine Heidenangst einjagen, damit er sich nicht mehr in ihre Nähe wagt. Das hat sich dann allerdings erübrigt, nachdem ich be- schlossen hatte, Daniela zu entführen und nach Royal Elms zu bringen.“
„Und was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen?“ fragte Jerome mit unbewegtem Gesicht.
„Sie hat mir keine Wahl gelassen. Sie wollte sich als ,Gentle- man Jack’ selbst an Fletcher rächen.“
Jerome riß die Augen auf. „Tatsächlich? Was für eine bemer- kenswerte Frau.“
„Ja. Bemerkenswerter, als gut für sie ist.“
Jeromes Mundwinkel zuckten belustigt. „Wie dem auch sei, ich bin ihr dankbar, daß sie dich davon abgehalten hat, als Gentleman Jack von den Toten aufzuerstehen.“
„In deinem Brief stand, daß du eine dringende Botschaft vom König für mich hast“, sagte Morgan, um das Thema zu wechseln. „Weshalb sollte ich nach Royal Elms zurückkommen?“
„Ich war gezwungen, dich zurückzurufen. Seine Majestät hat mich nach London kommen lassen, um mir die Botschaft persön- lich zu übergeben. Ich mußte schwören, daß ich sie auf gleiche Weise an dich weiterleite. Ich durfte sie nicht zu Papier brin- gen, damit sie nicht in falsche Hände fällt, denn dann wäre sein Geheimagent bei den Jakobitern in Rom entlarvt. Der König hat mir das Versprechen abgenommen, daß ich dich mündlich unterrichte.“
Morgan rollte die Augen himmelwärts.
Jerome nickte. „Ich weiß ja, aber was sollte ich machen? Seine Majestät ist überaus empfindlich, wenn es um die Jakobiter geht. Es ist alles Walpoles Schuld. Der Premierminister ist ein ausgemachter Hasenfuß und hat den König mit seiner Angst angesteckt.“
„Was hat Seine Majestät gesagt?“
Jerome seufzte. „Ich will offen sein, Morgan. Der
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