Mars 02 - Die Götter des Mars
würde.
»Haltet ein!« rief ich und sprang wieder zum Podest der Wahrheit. »Kein Mann soll sich bewegen, bis ich geendet habe. Ein einziger Schwertstoß hier und heute kann Helium in einen bitteren und blutigen Krieg stürzen, dessen Ausgang niemand vorhersehen kann. Er wird Bruder gegen Bruder wenden und Vater gegen Sohn. Niemandes Leben ist dieses Opfer wert. Lieber möchte ich mich dem ungerechten Urteil von Zat Arrras beugen, als der Auslöser eines Bürgerkrieges in Helium zu sein. Laßt jeden von uns vorläufig ein Stück nachgeben, und die ganze Angelegenheit soll ruhen, bis Tardos Mors oder Mors Kajak, sein Sohn, zurückkehrt. Sollte keiner von ihnen am Ende des Jahres wieder da sein, so soll ein zweiter Prozeß abgehalten werden - dafür gibt es bereits einen Präzedenzfall.« Dann wandte ich mich an Zat Arrras und sagte leise: »Wenn du nicht ein größerer Narr bist, als ich annehme, dann nutze die Chance, die ich dir hiermit biete, bevor es zu spät ist. Hat erst die Mehrheit das Schwert gegen deine Soldaten gezogen, kann kein Mensch auf Barsoom - nicht einmal Tardos Mors selbst - die Folgen abwenden. Was sagst du? Schnell!«
Der Jed vom zodanganischen Helium rief mit vor Zorn bebender Stimme der verärgerten Menge unter uns zu: »Haltet ein, Menschen von Helium. Das Gericht hat sein Urteil gesprochen, doch der Tag der Vollstreckung ist noch nicht festgesetzt. Ich, Zat Arrras, Jed von Zodanga, gewähre dem Gefangenen in Anerkennung seiner Verbindungen zum Königshaus und seiner bisherigen Verdienste für Helium und Barsoom eine Frist von einem Jahr oder bis zur Rückkehr von Mors Kajak oder Tardos Mors. Gebt Frieden und geht nach Hause! Geht!«
Keiner bewegte sich. Statt dessen standen alle in gespannter Stille da und blickten zu mir, als warteten sie auf das Zeichen zum Angriff.
»Räumt den Tempel«, befahl Zat Arrras mit leiser Stimme einem seiner Offiziere.
Da ich die Dinge fürchtete, die dabei herauskommen mochten, wenn man diesen Befehl mit Gewalt durchsetzte, trat ich an den Rand des Podestes, wies auf das Hauptportal und bat alle, den Saal zu verlassen. Einmütig folgten alle meiner Bitte, wandten sich um und marschierten still und bedrohlich an den Soldaten von Zat Arrras, dem Jed von Zodanga, vorbei, der vor ohnmächtiger Wut finster dreinblickend dastand.
Kantos Kan und jene, die mir ihre Lehnstreue geschworen hatten, befanden sich noch immer neben mir auf dem Thron der Gerechtigkeit.
»Komm, wir begleiten dich zu deinem Palast, Prinz«, sagte Kantos Kan zu mir. »Kommt, Carthoris und Xodar. Komm, Tars Tarkas.« Mit einem hochmütigen Lächeln für Zat Arrras auf den schön geschwungenen Lippen wandte er sich um und schritt die Podeststufen hinab zum Gang der Hoffnung. Wir vier und unsere einhundert Getreuen folgten. Niemand versuchte uns zurückzuhalten, obwohl glühende Augen unseren Triumphzug durch den Tempel beobachteten.
Die Straßen waren voller Menschen, die uns jedoch einen Weg öffneten. Zahlreiche Schwerter wurden mir auf dem Marsch durch die Innenstadt von Helium bis zu meinem Palast am Stadtrand vor die Füße geworfen. Hier knieten meine alten Sklaven vor mir nieder und küßten mir die Hände, als ich sie begrüßte. Ihnen war gleich, wo ich gewesen war, Hauptsache, ich war zu ihnen zurückgekehrt.
»Ach, Herr, wäre nur unsere göttliche Prinzessin noch bei uns, dann wäre dies wirklich ein Tag.«
Tränen stiegen mir in die Augen, so daß ich mich abwenden mußte, um meine Gefühle zu verbergen. Carthoris weinte in aller Öffentlichkeit, als ihn die Sklaven mit Bekundungen ihrer Zuneigung und Worten des Mitgefühles wegen unseres gemeinsamen Verlustes bedrängten. Nun erfuhr Tars Tarkas auch, daß seine Tochter, Sola, Dejah Thoris auf die lange Pilgerfahrt begleitet hatte. Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm Kantos Kans Bericht mitzuteilen. Gelassen wie die grünen Marsmenschen sind, zeigte er sein Leid nicht, und doch wußte ich, daß sein Kummer ebenso tief war wie der meinige. In deutlichem Unterschied zu seinem Volk waren in ihm die menschlichen Gefühle wie Liebe, Freundschaft und Nächstenliebe gut ausgeprägt.
Es war eine traurige und düstere Gesellschaft, die sich an diesem Tag beim Willkommensfest im großen Speisesaal des Palastes vom Prinz von Helium versammelt hatte. Wir waren über einhundert Personen, nicht mitgezählt die Mitglieder meines kleinen Hofes, denn Dejah Thoris und ich hatten ein Haus geführt, wie es sich unseres königlichen
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