Mars 02 - Die Götter des Mars
freundliches Gesicht unter ihnen. In Wirklichkeit stammten alle aus Zodanga, und meiner Person hatte Zodanga die Niederlage durch die Hände der grünen Marsmenschen sowie die darauffolgende Unterwerfung durch Helium zu verdanken. Somit konnte es für John Carter oder seinen Sohn kaum Gerechtigkeit geben, auch nicht für den großen Thark, der die Angehörigen der wilden Stämme befehligt hatte, die die breiten Promenaden von Zodanga verwüsteten und plünderten, in ihnen brandschatzten und mordeten.
Um uns herum war jeder Platz des riesigen Kolosseums besetzt. Alle Klassen, Altersgruppen und beide Geschlechter waren vertreten. Mit unserem Eintreten wurde das gedämpfte Brummen der Unterhaltungen zusehends leiser, bis wir vor dem Podest oder dem ›Thron der Gerechtigkeit‹ stehenblieben. Dann herrschte Totenstille unter den zehntausend Zuschauern.
Die Richter saßen am Rand des runden Podestes. Man hieß uns mit dem Rücken zu einer kleinen Erhöhung in seiner Mitte Platz nehmen, so daß wir sowohl den Richtern als auch den Zuschauern ins Gesicht blickten. Jeder würde auf die kleine Erhöhung treten, sobald sein Fall verhandelt wurde.
Zat Arrras hatte in dem goldenen Stuhl des vorsitzenden Richters Platz genommen. Als wir uns hingesetzt und unsere Wachen am Fuße der Podestes Aufstellung bezogen hatten, erhob er sich und rief mich auf.
»John Carter, nimm deinen Platz auf dem Podest der Wahrheit ein, damit über deine Handlungen unvoreingenommen geurteilt und deine Strafe festgelegt werden kann«, sagte er mit lauter Stimme. Dann wandte er sich an die Zuschauer und schilderte meine Vergehen, von deren Schwere die Bestrafung abhing.
»So wisset, o Richter und Volk von Helium, daß John Carter, einst Prinz von Helium, nach seiner eigenen Aussage aus dem Tal Dor und sogar vom Tempel Issus selbst zurückgekehrt ist«, sagte er. »In Gegenwart vieler Männer von Helium lästerte er den Heiligen Fluß Iss, das Tal Dor, das Verlorene Meer Korus, die Heiligen Therns selbst und sogar Issus, Göttin des Todes und Ewigen Lebens. Und wisset weiterhin, wie euch eure eigenen Augen mitteilen, die ihn hier auf dem Podest der Wahrheit erblicken, daß er wahrhaft von diesen heiligen Orten zurückgekehrt ist, unseren uralten Bräuchen zuwiderhandelnd, und somit gegen die Unverletzlichkeit unserer uralten Religion verstößt. Derjenige, der einst tot war, darf nicht wieder leben. Derjenige, der diesen Versuch unternimmt, muß für immer zum Schweigen gebracht werden. Richter, eure Pflicht liegt klar vor euch - kein Beweis kann diese Wahrheit widerlegen. Welche Strafe soll John Carter für die begangenen Handlungen zuteil werden?«
»Tod!« rief einer der Richter.
Und dann sprang ein Mann im Zuschauerraum auf, hob den Arm hoch und rief: »Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!«
Es war Kantos Kan, und als alles zu ihm blickte, setzte er an den Soldaten Zodangas vorbei auf die Erhöhung.
»Welche Art von Rechtsprechung ist das?« rief er Zat Arrras zu. »Man hat den Angeklagten weder angehört, noch konnte er jemanden zu seiner Fürsprache herbeirufen. Im Namen des Volkes von Helium verlange ich, daß dem Prinzen von Helium eine gerechte und unparteiische Behandlung zuteil wird.«
Es wurde laut in den Zuschauerreihen, dann hörte man: »Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!« Zat Arrras wagte nicht, das zu ignorieren.
»So sprich!« herrschte er mich an. »Doch lästere nicht Dinge, die auf Barsoom heilig sind.«
»Menschen von Helium«, wandte ich mich an die Zuschauer, über die Köpfe meiner Richter hinweg. »Wie kann John Carter von den Menschen aus Zodanga Gerechtigkeit erwarten? Er kann es nicht, auch bittet er nicht darum. Es sind die Menschen aus Helium, denen er seinen Fall darlegt, doch auch von ihnen erfleht er keine Gnade. Er spricht nicht in seiner Sache - sondern in eurer, im Sinne eurer Frauen und Töchter oder eurer noch ungeborenen Frauen und Töchter. Es geht darum, ihnen die unsagbar abscheulichen Erniedrigungen zu ersparen, die vor meinen Augen den schönen Frauen von Barsoom angetan wurden, an jenem Ort, den die Menschen Tempel Issus nennen. Ich will sie vor der saugenden Umarmung der Pflanzenmenschen oder vor den Zahnen der großen weißen Affen von Dor bewahren, vor der grausamen Wollust der Heiligen Therns, vor all jenen Dingen, zu denen der kalte, tote Iss sie von ihren Heimen voll Liebe, Leben und Glückseligkeit fortträgt. Jeder der hier Anwesenden kennt die Geschichte von John
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