Mars Live
seiner ersten gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Direktor von Disney-Gerber, einem kauzigen alten Mann, dessen Anzug wie ein Außenskelett wirkte. Während er und Markson Fragen über Finanzen beantworteten, zeigte ein Bildschirm hinter ihnen Karten vom Sonnensystem, Standfotos von der Ziolkowski, Panoramaansichten der Marslandschaft und ein Gruppenfoto der Marsreisenden im Innern der Landefähre, wie sie in die Videokamera winkten.
»Wo bin ich?« fragte Greetings. »Und wer ist die Blondine? Omeingott, das…«
»Das ist sie«, erklärte Glamour stolz. »Das ist Noreena Pellucidar. Ihr erster öffentlicher Auftritt.«
Der zusammengesetzte Star saß auf einer Kiste zwischen Fonda-Fox und Natascha Kirow. Greetings hatte erwartet, ihr eigenes Gesicht auf Beverly Glenns Körper zu sehen, wie bei den ersten Probeaufnahmen; doch der von der Gilde genehmigte zusammengesetzte Filmstar ähnelte keiner von ihnen beiden sonderlich. Er hatte Greetings grüne Augen, Beverly Glenns Wangenknochen und ein seltsames Mona-Lisa-Lächeln. Die Körperformen waren so üppig wie Glenns, doch die Hüften waren schmaler. Die Lippen waren voll, und wenn die Gestalt den Kopf zurückwarf, um zu lachen, zeigten sich ihre schlechten Zähne.
»Das ist nicht mein Lächeln«, sagte Greetings.
»Es ist ebensowenig Beverly Glenns Lächeln«, entgegnete Fonda-Fox.
»Ist das nicht das Lächeln von Natascha Kirow?« fragte Bass.
»Natürlich nicht«, sagte Glamour und machte sich im Geiste eine Notiz, daß er das mit den Zähnen noch in Ordnung bringen mußte. »Das würde gegen die Vorschriften verstoßen.«
»Wohin gehen Sie?« fragte Natascha Kirow Jeffries, der in seinen Marsanzug schlüpfte.
»Hinaus; ich mache einen Spaziergang.«
6
Jeffries leiblicher Vater war kein Arzt gewesen; er war ein Niemand gewesen, und dann war er Revolutionär geworden, was immer das bedeutet haben mochte. Er verließ Jeffries Mutter, bevor ihr gemeinsames Kind auf die Welt kam, und Jeffries hatte ihn zum erstenmal zu Gesicht bekommen, als er bei den Tumulten des schwarzen nationalistischen Untergrunds gefangengenommen wurde, in derselben Woche, in der der Philippinen-Krieg begann. Jeffries war neun Jahre alt, als sein Vater ihn holen ließ und eine geheimnisvolle ›Tante‹ ihn zum erstenmal mit ins Gefängnis nahm.
Die Nachtluft auf dem Mars war kalt und dünn, und Jeffries wünschte sich, sein Marsanzug hätte eine Batterieheizung, während er durch die Dünen stapfte. Er hatte in zwanzig Jahren keine zweimal an seinen Vater gedacht, und jetzt war es zweimal innerhalb einer Woche geschehen: einmal, als Natascha Kirow ihn erwähnt hatte, und eben wieder.
Vielleicht lag es an den Rastalocken. Sundiata senior und seine Genossen hatten sich im Gefängnis solche Zottelmähnen wachsen lassen.
Jeffries war elf, als seine Mutter wieder heiratete und nach Cincinnati zog, und mit zwölf erfuhr er, daß sein Vater 1999 bei den Unruhen in Atlanta getötet worden war. Sein Stiefvater, nicht seine Mutter, sagte es ihm. Er erinnerte sich, daß er lediglich Erleichterung empfand, weil er ihn nun nicht mehr in dem grellbunten Besuchszimmer mit den nicht funktionierenden Süßigkeitenautomaten, Wachmännern auf hohen Stühlen und schreienden schwarzen Babies zu besuchen brauchte. Er war das einzige Kind, das bei solchen Besuchen nicht von seiner Mutter begleitet wurde.
Sie hatten einander nicht viel zu sagen. Selbst im Alter von neun Jahren war Jeffries das ausgedehnte Schweigen seines Vaters peinlich gewesen. Sein Stiefvater war ebenfalls verschlossen und unzugänglich gewesen, aber das war etwas anderes. Er hatte eine Philosophie, die der Welt entsprach: richte dir die Dinge passend ein. Diese Philosophie hatte Jeffries am College, in der Navy und im Geschäftsleben gute Dienste erwiesen; doch jetzt, nach der Entdeckung der Pyramide und des Hologramms, ganz zu schweigen von den Stufen und dem Lehm, paßte sie nicht. Sie ließ sich im Zusammenhang mit diesen Ereignissen nicht anwenden.
Wohin sollte er sich in diesem Fall wenden? Und warum fühlte er sich wie ein kleiner Junge, der glaubte, sein Vater würde Bescheid wissen?
Lag es an den Rastalocken, der oberflächlichen Ähnlichkeit? Oder lag es an dem Blick durch ein Fenster auf eine fremde, eine nichtamerikanische Welt: denn sein Vater war alles andere als amerikanisch gewesen. Er hatte Jeffries – Sundiata – nur die Forderung hinterlassen, seinen Namen nicht zu ändern. Er hatte nicht gesagt, daß er
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