Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Drinnen wurde der Hauptraum durch zwei bis zum Fußboden reichende Fenster erhellt, die unter dem Rand des steinernen Wagendachs einen begrenzten Blick nach außen boten. Rohe Kiesstraße, herabgestürzte Steine auf der Strecke. Sie waren auf der Noctis-Fernstraße, aber viele Felsbrocken waren darauf gefallen. Michel machte sich nicht die Mühe, um die kleineren Stücke herumzufahren. Sie rollten mit etwa sechzig km/h dahin, und wenn sie auf einen größeren stießen, wurden sie alle in ihren Sitzen durchgeschüttelt. »Tut mir leid«, sagte Michel, »Wir müssen so bald wie möglich aus dem Kandelaber herauskommen.«
»Dem Kandelaber?«
»Noctis Labyrinthus.«
Der ursprüngliche Name, wußte Ann, war ihm von den Geologen der Erde bei Betrachtung von MarinerFotos verliehen worden. Aber sie sagte nichts. Der Wille zum Sprechen hatte sie verlassen.
Michel redete weiter. Seine Stimme war leise, unterhaltsam und beruhigend. »Es gibt einige Stellen, wo es unmöglich wäre, die Wagen hinterzubringen, falls die Straße durchtrennt ist. Querböschungen, die von einer Wand zur anderen verlaufen, riesige Steinfelder und so. Sobald wir nach Marineris hineinkommen, wird es gut sein. Dort gibt es Querfeldeinwege aller Art.«
»Sind diese Wagen für eine Fahrt den ganzen Canyon hinunter vorgesehen?« fragte Sax.
»Nein. Aber wir haben Verstecke auf der ganzen Strecke.« Offenbar hatten die großen Canyons zu den wichtigsten Transportkorridoren der verborgenen Kolonie gehört. Als der offizielle Canyon-Highway gebaut wurde, hatte ihnen das Schwierigkeiten bereitet, weil viele ihrer Routen abgeschnitten wurden.
Aus ihrer Ecke hörte Ann Michel ebenso aufmerksam zu wie der Rest. Sie konnte sich der Neugier über die verborgene Kolonie nicht erwehren. Ihre Benutzung der Canyons war genial. Rover, die dazu bestimmt waren, in ihnen zu bleiben, waren so getarnt, daß sie wie einige unter den Millionen von Felsblöcken aussahen, die in großen Haufen im Vorfeld der Klippenhänge lagen, die Dächer der Wagen waren tatsächlich Steine, die man von unten ausgehöhlt hatte. Schwere Isolierung verhinderte, daß das Dach des Wagens aufgeheizt wurde, so daß es kein Infrarotsignal gab, »zumal noch beliebige Mengen Saxscher Windmühlen hier unten verteilt sind, die das Bild stören.« Der Rover war auch auf der Unterseite isoliert, so daß er keine Schneckenspur hinterließ, die seinen Weg verraten hätte. Die Wärme aus dem Hydrazinmotor diente zur Heizung der Wohnräume, und jeder Überschuß wurde für späteren Gebrauch in Spulen geleitet. Wenn die sich bei der Fahrt zu sehr aufluden, wurden sie in Löcher geworfen, die man unter dem Wagen grub und mit einem Gemisch aus Regolith und flüssigem Sauerstoff bedeckte. Bis sich der Boden über der Spule erwärmt hatte, war der Rover längst fort. Also hinterließen sie kein Wärmesignal, benutzten keinen Funk und fuhren nur nachts. Tagsüber parkten sie zwischen anderen Felsblöcken, »und selbst wenn sie täglich Fotos verglichen und sehen, daß wir in der Gegend neu sind, wären wir bloß einer unter tausend neuen Steinen, die in jener Nacht von den Klippen heruntergefallen waren. Die Zermürbung von Formationen hat sich wirklich beschleunigt, seit ihr mit dem Terraformen angefangen habt, weil es jeden Tag gefriert und wieder taut. Morgens und abends kommt alle paar Minuten etwas herunter.«
»Also gibt es für sie keine Möglichkeit, uns zu sehen«, sagte Sax. Er wirkte überrascht.
»Das stimmt. Kein visuelles Signal, kein elektronisches Signal, kein Wärmesignal.«
»Ein getarnter Rover«, sagte Frank über Interkom aus dem anderen Wagen und lachte in seiner rauhen Art.
»Richtig. Die wahre Gefahr hier unten ist der Steinschlag selbst, der uns verbirgt.« Ein rotes Licht auf dem Armaturenbrett ging an, und Michel lachte. »Wir fahren so gut, daß wir anhalten und eine Spule vergraben müssen.«
»Wird es nicht zu lange dauern, ein Loch zu graben?« fragte Sax.
»Da ist schon eines gegraben, falls wir hinkommen können. Noch vier Kilometer. Ich denke, das werden wir schaffen.«
»Ihr habt ein tolles System.«
»Nun, wir leben jetzt seit vierzehn Jahren im Untergrund - ich meine, vierzehn Marsjahre. Die Technik der Wärme-Entsorgung ist für uns sehr wichtig.«
»Aber wie macht ihr es mit euren ständigen Habitaten, sofern ihr welche habt?«
»Wir leiten die Wärme in das tiefe Regolith und schmelzen Eis für unsere Wasserversorgung. Oder wir leiten sie in Rohren zu
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