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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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die Ann verabscheute, die neuen Lebensformen. Also zweifelte er, ob der Mars, den er sah mit seinen Schnee-Algen und Eisflechten und den entzückenden kleinen Flecken von Perserteppich, die den Gletscher säumten, der Mars von Ann wäre. Es war auch nicht der Mars seiner Kollegen bei der Terraformung. Es war eine Funktion von dem, was er glaubte und was er wünschte - es war sein Mars, der sich direkt vor seinen Augen entwickelte, immer dabei, etwas Neues zu werden. Er empfand wie einen Stich im Herzen den Wunsch, in genau diesem Moment Ann packen und am Arm zur westlichen Moräne hinunterführen zu können und laut zu rufen: Siehst du? Siehst du?
     
    Statt dessen hatte er Phyllis, vielleicht die am wenigsten philosophische Person, die er je kennengelernt hatte. Er vermied sie, wenn er es tun konnte, ohne daß es so aussah, und verbrachte seine Tage auf dem Eis, im Wind unter dem weiten Himmel des Nordens oder auf den Moränen, wo er umherkroch und Pflanzen suchte. Wieder in der Station, plauderte er beim Essen mit Claire, Berkina und den anderen über das, was sie draußen fanden und was es bedeutete. Nach dem Dinner zogen sie sich in den Beobachtungsraum zurück und redeten weiter. An manchen Abenden, besonders freitags und samstags, tanzten sie. Die Musik, die sie spielten, war immer Nuevo Calypso - Gitarren und Stahltrommeln in schnellen, fast simultanen Melodien, die komplexe Rhythmen erzeugten, deren Analyse Sax große Schwierigkeiten bereitete. Es waren oft 5/4-Takte, die mit 4/4 wechselten oder zugleich da waren. Offenbar ein Schema, das darauf abzielte, ihn aus dem Takt zu bringen. Zum Glück war der aktuelle Tanzstil eine Art freier Bewegung, die zum Takt nur wenig Beziehung hatte. Wenn es Sax also nicht gelang, im Rhythmus zu bleiben, war er ziemlich sicher, daß er allein es merkte. Tatsächlich war es eine recht nette Unterhaltung, ganz für sich bloß im Zeitmaß zu bleiben und in einer kleinen Gigue zum 5/4-Takt herumzuhopsen. Als er an die Tische zurückkehrte und Jessica ihm sagte: »Stephen, du bist wirklich ein guter Tänzer«, brach er in Gelächter aus, erfreut, obwohl er wußte, daß darin nichts zum Ausdruck kam als Jessicas Inkompetenz, über Tanz zu urteilen, oder ihr Versuch, ihm eine Freundlichkeit zu erweisen. Obwohl vielleicht das tägliche Wandern über das Steinfeld sein Gleichgewicht und Zeitgefühl verbesserte. Jede körperliche Tätigkeit konnte, wenn sie richtig studiert und ausgeübt wurde, ohne Zweifel mit beträchtlicher Geschicklichkeit, wenn nicht gar Eleganz, vollbracht werden.
    Sax und Phyllis sprachen oder tanzten miteinander nur so viel wie mit jedem anderen. Nur in der Geborgenheit ihrer Zimmer umarmten, küßten und liebten sie sich. Es war die alte Geschichte einer geheimen Beziehung; und eines Morgens gegen vier Uhr, als Sax aus ihrem Zimmer in seines zurückkehrte, durchfuhr ihn jähe Furcht. Er hatte plötzlich den Eindruck, daß sein nicht diskutiertes Komplizentum bei diesem Verhalten ihn für Phyllis deutlich als einen der Ersten Hundert verraten haben müsse. Wer anders könnte so bereitwillig auf ein so bizarres Verhalten kommen, als wenn es die natürlichste Sache der Welt wäre?
    Aber wenn er nachdachte, schien Phyllis nicht auf derartige Nuancen zu achten. Sax hatte es fast aufgegeben, ihre Denkweise und Motivationen zu verstehen, da die Daten widersprüchlich und trotz der Tatsache, daß sie ziemlich regelmäßig die Nacht miteinander verbrachten, ziemlich dürftig waren. Sie schien hauptsächlich an den intertransnationalen Manövern interessiert zu sein, die in Sheffield und auf der Erde stattfanden - Verschiebungen im Führungspersonal, Tochtergesellschaften und Immobilienpreisen, die sicher ephemer und bedeutungslos waren, für sie aber höchst fesselnd. Als Stephen blieb er an all diesem deutlich interessiert und stellte ihr Fragen, um seine Anteilnahme zu zeigen, wenn sie darauf zu sprechen kam. Wenn er aber fragte, was diese täglichen Veränderungen in einem größeren strategischen Sinne zu bedeuten hätten, war sie entweder nicht imstande oder nicht willens, erklärende Antworten zu geben. Offenbar war sie mehr an dem persönlichen Ergehen ihrer Bekannten interessiert als an dem System, das durch deren Laufbahnen zum Ausdruck kam. Ein früher bei Consolidated beschäftigter leitender Angestellter, der jetzt bei Subarashii war, war zum Leiter von Aufzugsoperationen befördert worden, und ein Manager von Praxis war im Busch verschwunden. Armscor

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