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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Hinsicht bestand eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Geschichte und Evolution, insofern beide von Kontingenz und Zufall bestimmt wurden, aber auch Entwicklungsstrukturen bildeten. Aber die Differenzen waren besonders im Zeitmaßstab so kraß, daß Ähnlichkeit wieder nicht mehr als eine Analogie wurde.
    Nein, man sollte sich lieber auf Homologien konzentrieren, jene strukturellen Ähnlichkeiten, die auf aktuelle physikalische Beziehungen hinwiesen und wirklich etwas erklärten. Das führte natürlich wieder in die Wissenschaft zurück. Aber nach einer Begegnung mit Phyllis war es genau das, was er wollte.
    Also vertiefte er sich wieder in das Studium von Pflanzen. Viele der von ihm gefundenen Fellfieldpflanzen hatten behaarte Blätter mit sehr dicken Oberflächen, was half, die Gewächse vor der scharfen UV-Strahlung des Sonnenlichts auf dem Mars zu schützen. Diese Anpassungen konnten recht gut Beispiele für Homologien sein, bei denen Spezies mit den gleichen Vorfahren alle familiären Züge bewahrt hatten. Oder es konnten Beispiele von Konvergenz sein, bei denen Spezies aus getrennten Stämmen durch funktionale Notwendigkeit zu den gleichen Formen gekommen waren. Und in diesen Tagen konnten sie auch einfach ein biotechnisches Produkt sein, bei dem die Züchter unterschiedlichen Pflanzen die gleichen Merkmale verliehen, um die gleichen Vorteile zu erzielen. Es kam darauf an herauszufinden, worauf es ankam, um die Pflanze zu identifizieren, und dann in den Akten nachzusehen, ob sie von einem terraformenden Team geplant worden war. In Elysium gab es ein Labor von Biotique unter Leitung von Harry Whitebook, das viele der erfolgreichsten Pflanzen plante, besonders die Riedgräser; und eine Suche im Whitebook-Katalog ergab oft, daß seine Hand am Werk gewesen war. In diesem Fall beruhten die Ähnlichkeiten oft auf künstlicher Konvergenz, indem Whitebook etwa behaarte Blätter in fast jede Blattpflanze einführte, die er züchtete.
    Ein interessanter Fall von Geschichte, die Evolution nachahmt. Und da sie auf dem Mars eine Biosphäre schaffen wollten in kurzer Zeit, vielleicht 10 7 mal schneller, als es auf der Erde gedauert hatte, mußten sie ständig in den Evolutionsakt selbst eingreifen. Daher würde die Biosphäre des Mars nicht ein Fall von Phylogenie sein, der Ontogenie wiederholt, auf jeden Fall kein in Mißkredit geratener Begriff, sondern eine Geschichte, welche Evolution wiederholt. Oder vielmehr nachahmt, soweit es im Milieu des Mars möglich ist. Oder sogar leitet. Geschichte, die Evolution lenkt. Das war ein erschreckender Gedanke.
    Whitebook ging mit viel Spürsinn an die Aufgabe.
    Zum Beispiel hatte er preatophytische Flechtenriffe gezogen, welche die Salze aufbauten, die sie in eine feinporige Kristallstruktur einbauten, so daß die resultierenden Pflanzen olivfarbene oder dunkelgrüne Massen halbkristalliner Blöcke waren. Wenn man durch einen Fleck von ihnen ging, war es, als ob man durch ein liliputanisches Gartenlabyrinth ginge, das zerdrückt, verlassen und halb von Sand bedeckt war. Die individuellen Blöcke der Pflanzen waren zerbrochen oder gespalten und sahen geradezu von einer Krankheit befallen aus, die Pflanzen zu versteinern schien, während sie noch lebten und einen Existenzkampf führen mußten im Innern von zerbrochenen Schichten aus Malachit und Jade. Seltsam aussehend, aber sehr erfolgreich. Sax fand, daß eine ganze Anzahl dieser Flechten auf dem Grat der westlichen Moräne wuchs und in dem trockneren Regolith dahinter.
    Er verbrachte einige Vormittage mit der Suche danach, und als er eines Morgens beim Überqueren des Grats über den Gletscher zurückblickte, sah er, wie sich ein sandiger Wirbelwind über dem Eis drehte, ein funkelnder kleiner rostfarbener Tornado, der sich stromabwärts bewegte. Gleich danach wurde er von einem starken Wind mit Böen von mindestens hundert und dann sogar hundertfünfzig Kilometern in der Stunde getroffen. Sax duckte sich schließlich hinter einem Flechtenriff und hob die Hand, um die Windgeschwindigkeit zu schätzen. Es war schwer, eine genaue Angabe zu versuchen, weil die dichter werdende Atmosphäre die Kraft der Winde verstärkt hatte, so daß sie kräftiger schienen und schneller, als sie in Wirklichkeit waren. Alle Schätzungen aus den Eindrücken aus den Tagen in Underhill lagen jetzt weit daneben. Die Böen, die ihn jetzt trafen, könnten sogar nur achtzig Kilometer in der Stunde langsam sein. Aber sie waren voller Sand, der gegen sein Visier

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