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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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allem, was geschah. Maya steckte ein Telefonkabel in Spencers Armband und zischte ihnen beiden Anweisungen zu. Ihre Stimme war hart und präzise.
    Sie hoben Sax auf die Kuppelumrandung und darüber. Dann krochen sie hin und her, bis sie die eiserne Spule fanden, an der ihr Ariadnefaden saß.
    Es war sofort klar, daß sie nicht in den Wind marschieren konnten. Sie mußten auf Händen und Füßen kriechen, wobei die Person in der Mitte Sax auf seinem oder ihrem Rücken tragen und die anderen beiden auf jeder Seite stützen mußten. Sie krochen immer weiter, dem Faden folgend. Ohne ihn hätten sie keinerlei Hoffnung gehabt, den Rover wiederzufinden. Mit ihm konnten sie direkt auf ihr Ziel los kriechen. Ihre Hände und Knie wurden vor Kälte taub. Michel entdeckte unter seiner Visierscheibe einen schwarzen Anflug von Staub und Sand. Irgendwann fiel ihm ein, daß die Scheibe schlimm verkratzt war.
    Sie machten eine Ruhepause, als sie Sax dem nächsten Träger aufluden. Als er an der Reihe war, kniete Michel sich hin. Er japste und stützte seine Visierscheibe direkt auf den Boden, damit der Staub über ihn wegflog. Er spürte Grus auf der Zunge, bitter, salzig und schweflig - der Geschmack der Angst oder des Todes auf dem Mars - oder auch nur der seines Blutes. Das konnte er nicht sagen. Es war zu laut zum Nachdenken. Sein Hals schmerzte, er hatte Ohrensausen und rote Würmer vor Augen. Das kleine rote Volk trat endlich aus seinem peripheren Blickfeld heraus, um direkt vor ihm zu tanzen. Er merkte, daß er kurz davor stand, bewußtlos zu werden. Einmal glaubte er, sich übergeben zu müssen, was in einem Helm lebensgefährlich war. Sein ganzer Körper krampfte sich zusammen in der Bemühung, es zurückzuhalten. Ein peinigender, schweißiger arger Schmerz in allen seinen Muskeln und Zellen. Nach langem Kampf verging der Drang.
    Sie krochen weiter. Es verging eine Stunde heftiger und wortloser Anstrengungen und noch eine. Michels Knie verloren ihre Taubheit zugunsten scharfer stechender Schmerzen und wurden wund. Manchmal lagen sie bloß auf dem Boden und warteten, bis eine besonders wilde Bö vorbeigezogen war. Es war frappierend, wie der Wind jetzt sogar mit orkanartigen Geschwindigkeiten in einzelnen Stößen kam. Der Wind erzeugte keinen gleichmäßigen Druck, sondern eine Reihe erschütternder Schläge. Sie mußten so lange flach daliegen und diese Hammerschläge abwarten, daß man Zeit hatte, sich zu langweilen, den Geist schweifen zu lassen und zu dösen. Es schien, als ob sie von der Morgendämmerung erwischt werden könnten. Aber dann sah er auf der Uhr in seinem Visier die Ziffern. Es war erst 3:30 früh. Sie krochen weiter.
     
    Und dann hob sich der Faden, und sie stießen mit der Nase direkt auf die Schleusentür des Rovers, an der er befestigt war. Sie schnitten ihn ab und hievten Sax blindlings in die Schleuse. Danach kletterten sie erschöpft hinter ihm hinein. Sie schlossen die Außentür. Feiner Staub wirbelte vom Pumpengebläse herunter und trübte die grelle Luft. Michel starrte zwinkernd in die kleine Gesichtsplatte von Saxens Notkopfteil. Es war, als sähe man in eine Tauchermaske, und er bemerkte kein Anzeichen von Leben.
    Als die innere Tür aufging, legten sie Helme, Stiefel und Anzüge ab, kletterten in den Innenraum und schlossen die Tür rasch vor dem Staub. Michels Gesicht war feucht; und als er es abwischte, merkte er, daß es Blut war, hellrot in dem stark erleuchteten Raum. Er hatte Nasenbluten gehabt. Trotz der hellen Lichter war seine periphere Sicht trübe, und der Raum war seltsam ruhig. Maya hatte einen üblen Schnitt über dem Schenkel, und die Haut darum war durch Erfrierungen weiß. Spencer wirkte erschöpft, unverletzt, aber sichtlich erschüttert. Er zog Sax das Kopfstück herunter und plapperte dabei: »Ihr könnt nicht einfach Leute aus diesen Sonden herausreißen. Das kann zu Hirnschäden führen. Ihr hättet warten sollen, bis ich hinzukam. Ihr wußtet nicht, was ihr tatet!«
    »Wir haben nicht gewußt, ob du kommen würdest«, sagte Maya. »Du warst spät dran.«
    »Nicht so sehr. Ihr hättet nicht so in Panik verfallen sollen.«
    »Das sind wir nicht.«
    »Warum hast du ihn dann da herausgerissen? Und warum hast du Phyllis getötet?«
    »Sie war eine Peinigerin und Mörderin!«
    Spencer schüttelte heftig den Kopf. »Sie war genau so eine Gefangene wie Sax.«
    »Das war sie nicht.«
    »Du wußtest es nicht. Du hast sie getötet, weil es so aussah. Du bist nicht besser, als sie

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