Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
wenn John Boone dich hier kennenlernen und auch nur eine Stunde zu dir sprechen würde, dann würde er danach ein Jackie-ist sein. Und wenn er Harmakhis träfe und zu ihm spräche, würde er ein Harmakhist werden, vielleicht sogar ein Maoist. Genau so war er nun einmal. Und du mußt sehen, daß das gut war; denn was er tat, war, daß er die Verantwortung für das Denken uns wieder auferlegte. Das hat uns gezwungen, einen Beitrag zu leisten, denn sonst könnte Boone nicht handeln. Sein Standpunkt war, daß nicht bloß ein jeder das tun könnte, sondern daß er es auch tun sollte.«
»Einschließlich aller Menschen auf der Erde«, antwortete Jackie.
»Nicht wieder so hastig!« rief Cojote. »O Mädchen, warum verläßt du nicht diese Jungen und heiratest mich auf der Stelle? Ich bekomme einen Kuß wie von dieser Vakuumpumpe, komm her!«, und er schwenkte die Pumpe auf sie zu, und Jackie stieß sie beiseite, schob ihn weg und rannte fort, nur des Spaßes halber. Sie war jetzt die schnellste Läuferin in Zygote von allen. Selbst Nirgal mit all seiner Ausdauer konnte nicht so sprinten wie sie. Und die Kinder lachten über Cojote, als er hinter ihr her hopste. Er war für einen Alten recht schnell, und er raste kreuz und quer hinter ihnen allen her, bis er schrie: »O mein Bein! Das werde ich euch heimzahlen. Ihr Jungen seid bloß eifersüchtig auf mich, weil ich euch euer Mädchen stehlen werde. Halt!«
Diese Art von Hänselei war Nirgal peinlich, und Hiroko mochte sie auch nicht. Sie sagte Cojote, er möge aufhören, aber der lachte sie nur aus. Er sagte: »Du bist diejenige, welche losgezogen ist und sich ein kleines Inzestlager geschaffen hat. Was willst du tun, sie kastrieren?« Er lachte über Hirokos finstere Miene. »Du wirst sie ziemlich bald fortgeben müssen, das ist es. Und ich könnte recht gut auch einige von ihnen gebrauchen.«
Hiroko schickte ihn weg; und bald danach war er wieder unterwegs. Und das nächste Mal, als Hiroko unterrichtete, ging sie mit allen Kindern ins Bad, und sie setzten sich auf die feuchten Kacheln am seichten Ende und ließen sich von dem dampfenden Wasser durchtränken, während Hiroko sprach. Nirgal saß dicht bei Jackies langbeinigem nackten Körper, den er so gut kannte, einschließlich all seiner dramatischen Veränderungen im letzten Jahr. Und er fand, daß er nicht imstande war, sie anzuschauen.
Seine alte nackte Mutter sagte: »Ihr wißt, wie Genetik funktioniert. Ich habe euch das selbst gelehrt. Und ihr wißt, daß viele von euch Halbbrüder und -schwestern sind, Onkel, Nichten und Vettern und so weiter. Ich bin für viele von euch Mutter oder Großmutter. Darum solltet ihr euch nicht paaren und zusammen Kinder haben. So einfach ist das, ein einfaches genetisches Gesetz.« Sie hielt die Hand hoch, wie wenn sie sagen wollte: Dies ist unser gemeinsamer Körper.
»Aber alle lebenden Wesen sind voller Viriditas«, fuhr sie fort, »der grünen Kraft, die nach außen hin gestaltet. Und so ist es normal, daß ihr einander lieben werdet, besonders jetzt, da eure Körper aufblühen. Daran ist nichts Schlechtes, ganz gleich, was Cojote sagt. Er macht auf jeden Fall nur Witze. Aber in einem hat er recht: Ihr werdet bald viele andere Menschen eures Alters kennenlernen, und die werden schließlich Freunde und Partner und mit euch gemeinsam Eltern werden, euch näherstehend als selbst eure Stammesverwandten, die ihr zu gut kennt, um sie je wie jemand anderen zu lieben. Wir sind hier alle Stücke von euch selbst. Und wahre Liebe gilt immer einem anderen.«
Nirgal richtete seine Augen mit leerem Blick fest auf die seiner Mutter. Er wußte noch genau, wann Jackie ihre Beine zusammengepreßt hatte, er hatte die kleine Veränderung der Temperatur im Wasser gespürt, wenn sie zwischen ihnen herumwirbelte. Und ihm schien, daß seine Mutter nicht recht hatte mit einigem von dem, was sie gesagt hatte. Obwohl er Jackies Körper so gut kannte, war sie ihm in vielfacher Hinsicht so fern wie jeder feurige Stern, strahlend und herrschsüchtig am Himmel. Sie war die Königin ihrer kleinen Gruppe und konnte ihn mit einem Blick vernichten, wenn sie wollte. Und das tat sie recht oft, obwohl er ihre Launen sein ganzes Leben lang studiert hatte. Darin lag mehr Fremdheit, als er bewältigen konnte. Und er liebte sie. Das wußte er genau. Aber sie erwiderte diese Liebe nicht, jedenfalls nicht auf die gleiche Art. Ebensowenig liebte sie Harmakhis auf diese Weise, dachte er, zumindest nicht mehr. Das war
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