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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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der Schlucht raste. In den folgenden Wochen träumte Art, daß er selbst diesen Sturz machte, und wachte erst beim Aufprall auf. Es schien, daß Teile seines Unterbewußtseins fühlten, seine Entscheidung, zum Mars zu gehen, sei ein Fehler gewesen. Er zuckte darüber die Achseln, aß seine Mahlzeiten und praktizierte sein Gehen. Er wartete seine Zeit ab. Irrtum oder nicht, er hatte sich verpflichtet.
    Fort hatte ihm ein Chiffriersystem gegeben und ihn angewiesen, sich regelmäßig zu melden und zu berichten. Aber bei der Überfahrt fand er sehr wenig zu sagen. Er schickte pflichtbewußt monatlich einen Bericht, immer dasselbe: Wir sind unterwegs. Alles sieht gut aus. Es kam nie eine Antwort.
    Und dann schwoll der Mars auf den Bildschirmen an wie eine geschleuderte Orange, und bald danach wurden sie in ihre Gravitationsliegen durch eine äußerst heftige Luftbremsung gepreßt und danach wieder in die Sitze ihrer Landefähren. Aber Art überstand diese einen platt machenden negativen Beschleunigungen wie ein Veteran. Nach einer Woche im Orbit, immer noch rotierend, dockten sie bei New Clarke an. Der hatte nur eine äußerst geringe Schwerkraft, die die Leute kaum auf dem Boden hielt und den Eindruck erweckte, Mars wäre über den Köpfen. Arts Raumkrankheit kam wieder. Und er mußte zwei Tage warten, ehe seine Reservierung für eine Fahrt im Aufzug kam.
    Die Wagen des Lifts erwiesen sich als schmale hohe Hotels. Sie brachten ihre dicht gedrängte menschliche Fracht binnen fünf Tagen zum Mars. Dabei herrschte keine nennenswerte Schwerkraft bis auf die letzten paar Tage, wenn sie immer stärker wurde, bis der Aufzugswagen bremste und sich sanft in die Aufnahmevorrichtung senkte, die man die >Steckdose< nannte, gleich westlich von Sheffield auf Pavonis Mons. Dann wurde die Schwerkraft so ähnlich wie im Ring der Ganesh. Aber eine Woche Raumkrankheit hatte Art völlig fertiggemacht. Als sich der Aufzugswagen öffnete und sie in etwas hinausgeleitet wurden, das einem Flughafenterminal sehr ähnlich sah, fand er sich kaum imstande zu gehen und staunte, wie sehr Übelkeit den Lebenswillen schwächte. Es waren vier Monate vergangen, seit er das Fax von William Fort bekommen hatte.
    Die Fahrt von der Steckdose nach Sheffield selbst erfolgte mit der U-Bahn, aber Art hatte sich zu elend gefühlt, als daß er hinausgeschaut hätte, selbst wo das möglich gewesen wäre. Erschöpft und unsicher wackelte er auf Zehenspitzen durch eine hohe Halle hinter jemandem von Praxis hinterher und sank dankbar in einem kleinen Zimmer auf ein Bett. Die Marsschwere fühlte sich angenehm solide an, als er dalag. Nach einer Weile schlief er ein.
    Als er aufwachte, konnte er sich nicht erinnern, wo er war. Er schaute sich in dem kleinen Raum um und fragte sich, ob Sharon weggegangen sei und warum ihr Schlafzimmer so klein geworden war. Dann fiel es ihm wieder ein. Er war auf dem Mars.
    Er stöhnte und setzte sich auf. Er fühlte sich heiß und dennoch von seinem Körper getrennt. Alles pulsierte leicht, obwohl das Licht im Raum normal zu funktionieren schien. An der Wand gegenüber der Tür waren Vorhänge. Er stand auf, ging hinüber und öffnete sie mit einem einzigen Zug.
    »He!« rief er und sprang zurück. Er hatte das Gefühl, ein zweites Mal zu erwachen.
    Es war wie der Blick aus dem Fenster eines Flugzeugs. Endloser freier Raum, ein fahl gefleckter Himmel, die Sonne wie ein Klumpen Lava. Und da weit unten zog sich eine steinige Ebene hin, flach und rund, als läge sie am Boden einer riesigen kreisförmigen Klippe - für ein natürliches Gebilde wirklich extrem rund. Es war schwer zu schätzen, wie weit die gegenüberliegende Seite der Klippe entfernt war. Einzelheiten der Klippe waren vollkommen deutlich, aber Strukturen auf dem entgegengesetzten Rand waren sehr klein. Was wie ein Observatorium aussah, hätte auf eine Nadelspitze gepaßt.
    Dies, so folgerte er, war die Caldera von Pavonis Mons. Sie waren bei Sheffield gelandet, also konnte es da keinen Zweifel geben. Darum waren es etwa sechzig Kilometer quer durch den Kreis zu jenem Observatorium, wie sich Art nach den Dokumentarvideos erinnerte, und fünf Kilometer bis zum Boden. Und all das völlig leer, steinig, unberührt, urtümlich. Der vulkanische Fels sah so kahl aus, als ob er erst vor einer Woche abgekühlt wäre. Keine Spur von Menschen darin. Keine Anzeichen von Terraformung. Das mußte vor einem halben Jahrhundert für John Boone genau so ausgesehen haben. Und so ...

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