Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
fremdartig. Und groß. Art hatte in die Calderas von Ätna und Vesuv geblickt, als er von Teheran aus Urlaub gemacht hatte; und das waren für irdische Begriffe große Krater gewesen. Aber man hätte tausend von ihnen in diesem... diesem Ding... diesem Loch unterbringen können ...
Er schloß die Vorhänge und zog sich langsam an. Sein Mund ahmte die Form der unirdischen Caldera nach.
Eine freundliche Führerin von Praxis namens Adrienne, groß genug, um auf dem Mars geboren zu sein, aber mit starkem australischem Akzent, holte ihn ab und unternahm mit ihm und einem halben Dutzend anderer Neuankömmlinge eine Tour durch die Stadt. Es stellte sich heraus, daß ihre Zimmer auf dem tiefsten Niveau der Stadt lagen, obwohl es nicht lange das tiefste bleiben würde. Sheffield war in diesen Tagen dabei, sich nach unten zu bohren, um möglichst vielen Räumen den Blick auf die Caldera zu bescheren, der Art so außer Fassung gebracht hatte.
Ein Lift brachte sie fast fünfzig Stockwerke höher und entließ sie in die Lobby eines funkelnagelneuen Geschäftsgebäudes. Sie traten durch die großen Drehtüren und kamen heraus auf einem breiten begrünten Boulevard. Den gingen sie hinunter an flachen Gebäuden mit Fronten aus polierten Steinen und großen Fenstern vorbei, die von mit Gras bewachsenen Nebenstraßen getrennt waren und einer großen Anzahl von Bauplätzen, da viele Gebäude noch in verschiedenen Stadien der Fertigstellung waren. Es würde eine hübsche Stadt werden, die Häuser meist drei und vier Stockwerke hoch. Sie wurden höher, als sie nach Süden kamen, weg vom Rand der Caldera. Die grünen Straßen waren voller Menschen wie auch die gelegentlich auf schmalen, ins Gras eingelassenen Schienen fahrende Straßenbahn. Es herrschte eine allgemeine Atmosphäre von Geschäftigkeit und Aufregung, ohne Zweifel verursacht durch den neuen Aufzug. Eine aufstrebende Stadt.
Der erste Ort, zu dem Adrienne sie brachte, lag gegenüber einem Boulevard zum Rande der Caldera. Sie führte die sieben Neuangekommenen hinaus in einen schmalen, sich windenden Park zu dem fast unsichtbaren Zeltdach, das die Stadt umschloß. Die transparenten Stoffe wurden von gleichfalls durchsichtigen geodätischen Stützen gehalten, die in einer brusthohen Umfassungsmauer verankert waren. Adrienne erklärte ihnen: »Das Zeltdach muß hier stärker sein als sonst auf Pavonis üblich, weil die Atmosphäre draußen äußerst dünn ist. Sie wird immer dünner sein als im Tiefland - um einen Faktor zehn.«
Sie führte sie hinaus in eine Ausguckblase in der Zeltwand; und wenn sie zwischen ihren Füßen nach unten schauten, konnten sie durch den transparenten Boden der Blase direkt auf den Boden der Caldera mehr als fünftausend Meter unter ihnen blicken. Die Leute schrien angstvoll entzückt auf, und Art stampfte unbehaglich auf den klaren Fußboden. Für ihn gewann die Weite der Caldera jetzt Perspektive. Der Nordrand war ungefähr so weit entfernt wie Mount Tamalpais und die Napa-Berge, wenn man zum Flughafen von San Jose hinabstieg. Das war keine außergewöhnliche Distanz. Aber die Tiefe da unten, die Tiefe! Über fünf Kilometer oder etwa zwanzigtausend Fuß. »Ein ganz beachtliches Loch«, sagte Adrienne.
Fernrohre auf Stativen und Schautafeln mit Karten ermöglichten ihnen, die frühe Version von Sheffield zu betrachten, die sich jetzt auf dem Boden der Caldera befand. Art hatte unrecht gehabt hinsichtlich der urtümlichen Natur der Caldera. Ein unauffälliger Haufen aus Geröll am Boden der Klippe mit einigen hellen Punkten darin waren tatsächlich die Ruinen der ursprünglichen Stadt.
Adrienne schilderte mit großem Genuß die Zerstörung der Stadt im Jahre 2061. Das herunterfallende Aufzugskabel hatte natürlich in den ersten Momenten des Falls die Vororte östlich seiner Steckdose zermalmt. Aber danach hatte sich das Kabel rund um den ganzen Planeten gewickelt und der Südseite der Stadt einen massiven zweiten Schlag versetzt, der eine unentdeckte Störstelle in dem Basaltrand losgerissen hatte. Etwa ein Drittel der Stadt hatte auf der falschen Seite dieses Bruchs gelegen und war fünf Kilometer hinab auf den Boden der Caldera gestürzt. Die restlichen zwei Drittel der Stadt waren flachgedrückt worden. Glücklicherweise waren die Bewohner größtenteils in den vier Stunden zwischen der Loslösung von Clarke und dem zweiten Ankommen des Kabels evakuiert worden, so daß Verluste an Menschenleben minimal waren. Aber Sheffield war völlig
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