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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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freien Mars zu machen. Manchmal denke ich, daß das Argument, eine für Menschen verträgliche Oberfläche würde der Revolution helfen, gut ist. Manchmal nicht. Jedenfalls sind die Roten ein starkes Guerillapotential. Ich teile ihre Meinung, daß wir nicht hier sind, um etwa Kanada zu reproduzieren - um Gottes willen! Also helfe ich. Ich bin gut im Verstecken, und es gefällt mir.«
    Ann nickte.
    »Willst du dich also mit ihnen zusammentun? Oder dich wenigstens mit ihnen treffen?«
    »Ich werde darüber nachdenken.«
     
    Ihr Interesse an Gestein war dahin. Jetzt kam sie nicht umhin zu bemerken, wie viele Anzeichen von Leben es auf dem Land gab. In den zehner und zwanziger Graden des Südens schmolz an Nachmittagen im Sommer Eis von den Gletschern des Ausbruchs, und das kalte Wasser strömte abwärts und teilte das Land in neue primitive Wasserscheiden. Es verwandelte die Hänge der Vorberge in etwas, das Ökologen als Fellfields, eine Art von Bergmooren, kennen. Diese steinigen Stellen bildeten die ersten Lebensgemeinschaften, nachdem das Eis wich. Sie bestanden aus Algen, Flechten und Moosen. Sandiger Regolith, der von hindurchströmendem Wasser mit Mikrobakterien infiziert war, wurde erstaunlich rasch, wie sie meinte, zum Fellfield: und die empfindlichen Lebensformen wurden bald zerstört. Ein großer Teil des Regoliths auf dem Mars war ultratrocken gewesen, so dürr, daß bei Kontakt mit Wasser starke chemische Reaktionen auftraten - viel Freisetzung von Wasserstoffperoxid und Salzkristallisationen. Im wesentlichen wurde der Boden zersetzt und floß als sandiger Schlamm stets nach unten in lockeren Terrassen, sogenannten Solifluktionsrinnen, und in mit Reif bedeckten neuen Proto-Fellfields. Die Merkmale des Geländes verschwanden. Das Land schmolz. Nach langer eintägiger Fahrt durch ein derart verändertes Gebiet sagte Ann zu Cojote: »Vielleicht werde ich zu ihnen sprechen.«
    Aber erst kehrten sie nach Zygote zurück oder Gamete, wo Cojote zu tun hatte. Ann blieb in Peters Zimmer, da er fort war und der Raum, den sie sich mit Simon geteilt hatte, anderen Zwecken zugeführt worden war. Sie hätte sowieso nicht darin bleiben können. Peters Zimmer lag unter dem von Harmakhis, ein rundes Bambussegment, in dem ein Pult, ein Stuhl und auf dem Boden eine Matratze waren sowie ein Fenster, das auf den Teich führte. In Gamete war alles gleich, aber auch anders. Und trotz der Jahre, in denen sie Zygote regelmäßig besucht hatte, fühlte sie sich mit nichts davon verbunden. Es war in der Tat hart, sich daran zu erinnern, wie Zygote gewesen war. Sie wollte sich auch nicht erinnern, sondern übte sich ständig im Vergessen. Jedesmal, wenn ein Bild aus der Vergangenheit zu ihr kam, sprang sie auf und tat etwas, das Konzentration erforderte. Sie untersuchte Steinproben oder seismographische Aufzeichnungen oder kochte komplizierte Mahlzeiten oder ging aus, um mit den Kindern zu spielen, bis das Bild verblaßt und die Vergangenheit gebannt war. Mit einiger Übung konnte man der Vergangenheit fast völlig trotzen.
    Eines Abends steckte Cojote den Kopf durch die Tür in Peters Zimmer. »Hast du gewußt, daß auch Peter ein Roter ist?«
    »Was?«
    »Das ist er. Aber er arbeitet unabhängig, meistens im Weltraum. Ich glaube, daß sein Rutsch vom Fahrstuhl herunter ihn auf den Geschmack dafür gebracht hat.«
    »Mein Gott!« sagte sie enttäuscht. Das war auch so ein zufälliges Ereignis. Nach allen Regeln hätte Peter sterben sollen, als der Aufzug herabstürzte. Wie groß waren die Chancen dafür, daß ein Raumschiff vorbeiflog und ihn bemerkte, allein in areosynchroner Umlaufbahn? Nein, das war lächerlich. Es gab nichts als Kontingenz.
    Aber sie war dennoch ärgerlich.
    Sie ging schlafen, erregt durch diese Gedanken; und plötzlich träumte sie in ihrem Schlummer, daß sie und Simon durch den eindrucksvollsten Teil von Candor Chasma wanderten, auf jenem ersten Ausflug, den sie zusammen gemacht hatten, als alles unbefleckt war und sich seit einer Milliarde Jahren nicht geändert hatte. Sie waren die ersten Menschen, die gemeinsam in dieser weiten Schlucht von geschichtetem Terrain und immensen Wänden gingen. Simon hatte es ebenso gefallen wie ihr. Und er war so schweigsam gewesen, so absorbiert in der Realität von Fels und Himmel. Es gab keinen besseren Gefährten für eine so glorreiche Betrachtung. Dann fing in dem Traum eine der riesigen Wände des Canyons an einzustürzen, und Simon sagte: »Eine lange Laufstrecke.«

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