Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
Und sie wachte abrupt auf und war schweißgebadet.
Sie zog sich an, verließ Peters Wohnung und ging hinaus in den kleinen Mesokosmos unter der Kuppel mit seinem heißen Teich und dem Krummholz der flachen Dünen. Hiroko war ein besonderes Genie, daß sie sich einen solchen Platz ausdachte und dann viele andere überredete, sich mit ihr darin niederzulassen. So viele Kinder zu empfangen ohne Genehmigung der Väter, ohne Kontrolle der genetischen Manipulationen. Das war wirklich eine Form von Wahnsinn, ob göttlich oder nicht.
Da kam an dem eisigen Strand ihres kleinen Teichs eine Schar von Hirokos Brut an. Man konnte sie nicht mehr Kinder nennen; die jüngsten waren fünfzehn oder sechzehn irdische Jahre alt und die ältesten - die ältesten hatten sich über die ganze Welt verteilt. Kasei war inzwischen wahrscheinlich fünfzig und seine Tochter Jackie fast fünfundzwanzig, eine Absolventin der neuen Universität in Sabiishii und in Demimondepolitik aktiv. Diese Gruppe von Retortenkindern war wieder auf Besuch in Gamete wie Ann selbst. Da waren sie und kamen am Strand heran. Jackie führte die Gruppe an, eine große, anmutige, junge Frau mit schwarzem Haar, durchaus schön und gebieterisch, ohne Zweifel die Anführerin ihrer Generation. Falls es nicht der muntere Nirgal wäre oder der grüblerische Harmakhis. Aber Jackie führte sie. Harmakhis folgte ihr mit hündischer Ergebenheit, und sogar Nirgal hatte ein Auge auf sie. Simon hatte Nirgal gemocht und Peter auch. Ann sah, weshalb. Er war unter Hirokos Schar von Ektogenen der einzige, der sich nicht vor ihr drückte. Der Rest karriolte selbstvergessen umher, Könige und Königinnen ihrer kleinen Welt; aber Nirgal hatte Zygote bald nach Simons Tod verlassen und war kaum je zurückgekommen. Er hatte in Sabishii studiert, was Jackie auf diese Idee gebracht hatte, und verbrachte jetzt die meiste Zeit in Sabishii oder draußen mit Cojote oder Peter; oder er besuchte die Städte des Nordens. War er also auch ein Roter? Unmöglich zu sagen. Aber er war an allem interessiert, nahm alles wahr, lief überall herum, eine Art junger männlicher Hiroko, falls so etwas möglich wäre; aber weniger seltsam als Hiroko, sondern mehr mit anderen Leuten beschäftigt, mehr menschlich.
Ann hatte nie im Leben eine normale Konversation mit Hiroko geführt, die ein fremdartiges Bewußtsein zu haben schien, mit anderen Bedeutungen für alle Wörter der Sprache und trotz ihrer Brillanz in Ökoplanung eigentlich gar keine Wissenschaftlerin, sondern eher eine Art Prophetin. Nirgal andererseits schien intuitiv den Kern von allem zu treffen, was der Person, mit der er sprach, am meisten am Herzen lag. Und er konzentrierte sich darauf und stellte eine Frage nach der anderen, wißbegierig, anpassungsfähig und sympathisch. Als Ann ihn beobachtete, wie er am Strand hinter Jackie her trottete und hin und her lief, erinnerte Ann sich daran, wie langsam und vorsichtig sie an Simons Seite gegangen war. Wie er in jener letzten Nacht so erschrocken ausgesehen hatte, als Hiroko auf ihre besondere Art ihn dazu gebracht hatte, Lebewohl zu sagen. Das ganze Geschehen war für einen Jungen eine grausame Sache gewesen; aber Ann hatte damals keine Einwände erhoben. Sie war verzweifelt gewesen und bereit, alles mögliche zu tun. Das war ein anderer Fehler gewesen, der nicht wiedergutzumachen war.
Sie starrte auf den gelben Sand unter ihren Füßen, bis die Ektogenen vorbeigegangen waren. Es war eine Schande, daß Nirgal so von Jackie gefesselt war, die sich so wenig aus ihm machte. Jackie war auf ihre Art eine bemerkenswerte Frau, aber viel zu sehr wie Maya - launisch und beeinflußbar, auf keinen Mann fixiert außer vielleicht auf Peter, der glücklicherweise (obwohl es damals nicht so ausgesehen hatte) eine Affäre mit Jackies Mutter gehabt hatte und nicht im geringsten an Jackie interessiert war. Das war eine schmutzige Sache, und Peter und Kasei waren noch immer davon ferngehalten, und Esther war nie zurückgekehrt. Nicht Peters beste Stunde. Und die Effekte auf Jackie... O ja, da würde es Effekte geben (Achtung - eine dunkle Lücke in ihrer tiefen Vergangenheit), ja, und es ging immer weiter, alle ihre dreckigen kleinen Leben, die sich in ihren sinnlosen Runden wiederholten ...
Sie suchte sich auf die Zusammensetzung der Sandkörner zu konzentrieren. Gelb war nicht gerade die gewöhnliche Farbe für Sand auf dem Mars. Ein sehr seltener granitischer Stoff. Sie fragte sich, ob Hiroko danach gesucht
Weitere Kostenlose Bücher