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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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abzuholen. Er hatte in Odessa und Burroughs mit Maya fast dreißig Jahre lang zusammen gelebt. Aber jetzt, als er sie nach Avignon fuhr, erschien sie ihm wie eine Fremde, als sie so neben ihm saß, eine alte Schönheit mit verschleierten Augen und einer schwer zu deutenden Miene. Sie redete englisch und erzählte ihm in rauhen schnellen Sätzen alles, war sich in Bern ereignet hatte. Sie hatten einen Vertrag mit den UN, die ihrer Unabhängigkeit zugestimmt hatten, erwirkt. Als Gegenleistung sollten sie eine gewisse Einwanderung gestatten, aber nicht mehr als zehn Prozent der Marsbevölkerung jährlich. Außerdem den Transfer mineralischer Ressourcen und Zusammenarbeit bei einigen diplomatischen Themen. »Das ist gut, wirklich gut.« Michel versuchte, sich auf ihren Bericht zu konzentrieren, aber es war schwer. Gelegentlich schaute sie, während sie sprach, auf die Gebäude, die an ihrem Wagen vorbeisausten, die sahen aber in dem staubigen winddurchschossenen Sonnenlicht recht billig und kitschig aus und Maya schien überhaupt nicht beeindruckt zu sein.
    Michel fuhr in sinkender Stimmung so nahe er konnte an den Papstpalast in Avignon heran, parkte und machte mit ihr einen Spaziergang an dem geschwollenen Fluß entlang vorbei an der Brücke, die nicht bis zur anderen Seite reichte, dann zu der breiten Promenade südlich des Palastes, wo sich Straßencafes im Schatten alter Platanen aneinander reihten. Dort aßen sie zu Mittag, und Michel kostete das Olivenöl und den Cassis, die er sich genießerisch über die Zunge rinnen ließ, während er zusah, wie seine Gefährtin sich wie eine Katze in ihrem Metallsessel entspannte. »Das ist hübsch«, sagte sie, und er lächelte. Es war wirklich nett: kühl, gelassen, zivilisiert, Essen und Trinken waren sehr fein. Für ihn aber entfesselte der Geschmack von Cassis eine weitere Flut von Erinnerungen. Emotionen aus früheren Inkarnationen mischten sich mit den Gefühlen, die er jetzt empfand und verstärkten alles - Farben, Stoffe, das Gefühl von Metallstühlen und Wind. Während für Maya Cassis nur ein herbes Fruchtgetränk war.
    Während er sie ansah, fiel ihm ein, daß das Schicksal ihm eine Gefährtin beschert hatte, die noch attraktiver war als die schönen Französinnen, die in jenem früheren Leben seine Gespielinnen gewesen waren. Eine irgendwie größere Frau. Auch in dieser Hinsicht hatte er es auf dem Mars gut gehabt. Er hatte ein größeres Leben begonnen. Sein Empfinden und seine Nostalgie stießen in seinem Herzen zusammen, während Maya Hammel-Eintopf, Wein, Käsesorten und Kaffee genoß, ohne an das Interferenzmuster ihrer beider Leben zu denken, das sich in ihm teils in, teils außer Phase bewegte.
    Sie plauderten ziellos. Maya war entspannt und mit sich zufrieden. Froh über das, was sie in Bern geleistet hatte. Ohne Eile, irgendwohin zu gehen. Michel fühlte ein sanftes Glühen durch seinen Körper ziehen, als ob er voll mit Omegandorph wäre. Während er sie beobachtete, wurde er selbst allmählich glücklich. Einfach glücklich. Vergangenheit, Zukunft - keines von beiden war jemals real. Einfach so unter Avignons Platanen sein. Keine Notwendigkeit, an irgend etwas anderes zu denken. Maya sagte: »So zivilisiert. Ich habe mich seit Jahren nicht so ruhig gefühlt. Ich kann verstehen, warum es dir gefällt.« Und dann lachte sie ihn an, und er merkte, wie ein idiotisches Grinsen sein Gesicht bedeckte.
    Er fragte neugierig: »Möchtest du Moskau wiedersehen?«
    »O nein. Das möchte ich nicht.«
    Sie ließ die Idee als eine momentane Störung fallen. Er fragte sich, was sie bezüglich ihrer Rückkehr zur Erde empfand. Man konnte bei so etwas doch nicht völlig gefühllos sein?
    Aber für manche Menschen war Heimat die Heimat, ein Gefühlskomplex weit jenseits jeder Rationalität, eine Art von Gitter oder Schwerefeld, in dem die Persönlichkeit als solche ihre geometrische Gestalt annahm. Für andere hingegen war ein Ort einfach bloß ein Ort und das Ich von all dem frei und gleichbleibend - ganz egal, wo es sich befand. Die eine Art lebte in dem gekrümmten einsteinschen Raum der Heimat, die andere in dem newtonschen absoluten Raum des freien Selbst. Und während er zu dem ersteren Typ gehörte, war Maya von dem anderen. Und es war sinnlos, gegen diese Tatsache anzukämpfen. Nichtsdestoweniger wünschte er, daß sie die Provence lieben würde. Oder mindestens einsehen, warum er sie liebte.
    Und so fuhr er sie, nachdem sie mit dem Essen fertig waren, nach

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